Langerweile (man verzeihe das Motiv) die Kunstschätze des Zimmers zu mustern. O, Himmel, da hing die Loyalität, und vor allem der Patriotismus in ganzen Schubkarren- Ladungen an der Wand." (S. 32f.) Besonders die Ankunft Blüchers im Elysium verfolgt er mit gezieltem Spott. “Auf himmlischen Frieden muß er nicht gerechnet haben, denn der Säbel hängt lang und breit an seiner Linken. Dicht hinter seinem Kopf erglänzen vier Sterne, die so etwas wie Himmelsglorie bedeuten sollen, aber wie Verdienstmedaillen und Adlerorden aussehen, die er auf Erden vergessen hat und durch einen Expressen nachgeschickt erhält. Der alte Fritz, den Krückstock, just als wär' er ein Polizei-Diener, unter dem Arm, empfängt ihn und schüttelt ihm so kräftig die Rechte, daß sich der Zopf zu bewegen scheint, der wie ein Rattenschwänzchen, auch im Elysium den Rücken des großen König's ziert. Die elysäischen Gefilde scheinen übrigens ihr bestimmtes Publikum zu haben, wie Pera, oder die Judengasse zu Frankfurt, oder das Quartier-latin zu Paris, denn man gewahrt darinnen nichts wie Preußen, was mir die vorteilhafteste Meinung von der göttlichen Gerechtigkeit beibrachte." (S. 33)
Der "vormärzliche Witz... eine Geisteskrankheit der höheren Stände, letzter Rest jener vormärzlichen Ironie, die zur Tieck-Schlegel-Zeit den ganzen Ton bestimmt hatte", wie Fontane später urteilte, hält den jungen Autor noch sehr in seinem Bann. Besonders literarische Lesefrüchte gibt es im Überfluß, wobei vor allem Shakespeare, Goethe und Schiller, ferner die Bibel, Homer, Cervantes, Wieland, Münchhausen, Bürger, Tieck, Uhland, Börne, Heine, aber auch vergessene Größen (August Tiedge, Johann Christoph Friedrich Haug) zitiert und parodiert werden. Dies alles auf wenigen Seiten - wer wie der Herausgeber all die Anspielungen aufzuschlüsseln unternimmt, hat zunächst mutmaßlich nicht soviel uneingeschränktes Vergnügen daran wie später der Leser. Umso sympathischer berührt die unauffällige Leichtigkeit des Kommentars. Er stellt sich zuletzt wie eine Fortsetzung des Textes mit anderen Mitteln dar, belegt und bringt er doch zu Gehör, worauf es den ehrgeizigen jungen Autor in virtuosen kleinen Fingerübungen anzuspielen drängte. Fontanes poesieverliebter Bildungsquiz bedarf inzwischen der mitgelieferten Auflösung, damit der Leser das launige Geheimnis dieses Textes (wenn er denn eines hat!) ohne Abstriche erkennt: Die Literatur kommt von der Literatur, das Schreiben vom Lesen.
Es ist neben der Unbequemlichkeit vor allem die "Langerweile", die den Reisenden im Vormärz auf den Poststationen, auf den Anfahrtsstrecken zu ihnen und auf den Routen dazwischen quält. Nostalgie á la Eichendorff oder Lenau ist daher durchaus unpassend und die Eisenbahn sowie der Fortschritt insgesamt zu loben. Wenn aber junge Leute unterwegs sind, gibt es doch allerlei Kurzweil. Beschreibt das nun ein künftiger Literat, ist vor allem für verbale Munterkeit und Selbstironie gesorgt - von der "strandgeborenen Möwe" (Analogie zur "schaumgeborenen Venus") bis zu "Schöne Minka, ich muß scheiden", von "Mondbe- glänzte Zaubernacht" bis "Doch als es morgens tagte,/ Mein Kind, wie staunten wir!/ Denn zwischen uns saß Amor,/ Der blinde Passagier." Behaglich und augenzwin- kernd-zufrieden kontrastiert das Plattdeutsch des Kutschers zur nervösen Sprache des sich verwöhnt gebenden Städters, der "an den Mokka des Herrn Stehely so gewöhnt (ist), wie das Kind an die Mutterbrust, oder ein Sekonde-Lieutnant an Billet- doux's und Mahnbriefe." (S. 32)
Natürlich muß man die Zwei Post-Stationen nicht weiter wichtig nehmen. Wäre ihr Autor nicht der große Romancier geworden, als der er uns vor Augen steht, kein Hahn würde, drastisch gesagt, mehr nach ihnen krähen. Kein Zweifel auch,
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