Heft 
(1992) 53
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daß Fontane dieses Prosastück später nicht mehr zum Druck gegeben haben würde. "In poetischen Dingen hab' ich die Erkenntnis 30 Jahre früher gehabt als in der Prosa , hat er 1882 an seine Frau geschrieben,daher lese ich meine Gedichte mit Vergnügen oder doch ohne Verlegenheit, während meine Prosa aus derselben Zeit mich beständig geniert und erröten macht. Ein solches Urteil ist indessen ganz und gar eine Frage der Perspektive. Der Fontane von 1882, ein großer Prosaerzähler, Autor von Vor dem Sturm und Schach von Wuthenow, aber als Künstler immer noch auf dem Wege, durfte und mußte seine dilettantischen Anfänge verwerfen. Der Fontane-Verehrer von 1992 mag sich der Zwei Post-Stationen als einer hüb­schen Talentprobe dagegen unbefangen erfreuen. Er kann manchen für den spä­teren Fontane bereits charakteristischen Zug darin entdecken, und er wird sich vielleicht an das merkwürdige Urteil von Fontanes hochgebildetem Jugend­freund, dem späteren Oxforder Indologen und Sprachforscher F. Max Müller erinnern: "Er hätte ein zweiter Heine werden können..."

Allen an dem Fund in Marbach und seiner Auswertung Beteiligten ist für diese Trouvaille zu danken.

Obwohl wir zu dem Buch von F. C. Delius, "Die Birnen von Ribbeck", bereits im Heft 52 (S. 167-68) einen kurzen Kommentar veröffentlichten, halten wir den Beitrag von Torsten Uhde (Student der Germanistik an der Humboldt-Universi­tät Berlin) für beachtenswert und stellen ihn deshalb als Stimme eines jungen Interpreten unseren Lesern zur Diskussion:

Red.

Torsten Uhde, Berlin

F. C. Delius' Birnen von Ribbeck oder ein westdeutscher Ostdeutscher läuft Amok*

"Ribbeck, Ribbeck, da war doch was?", fragte sich der Schriftsteller Friedrich Christian Delius, als er vor Fertigstellung der Autobahn auf der Transitstrecke von Westberlin nach Hamburg durch das märkische Dorf mußte. "Ja, Fontane", fiel dem Literaten ein, "Fontanes Ballade 'Herr von Ribbeck auf Ribbeck im Havel­land". Nach dem Fall der Mauer dann verschlug es ihn auf einem Ausflug in den Ort, und er kam zufällig ins Gespräch mit einigen Einwohnern, denen das Buch auch ausdrücklich gewidmet ist. Delius erfährt von dem selbstherrlichen Birnbaumfest seiner Landsleute und erkennt in dem, was ihm die Leute sagen und wie sie es sagen, sein Thema und die Idee der literarischen Umsetzung.

So beginnt die Erzählung ganz authentisch mit dem Einzug einer Kolonne West­deutscher in das Dorf. Sie bringen Geschenke mit und auch einen Birnbaum (Fontane, Fontane!), den sie pflanzen und um den sie ein Fest veranstalten, für

*Die Birnen von Ribbeck"

von Friedrich Christian Delius, Rowohlt Hamburg, 1991.

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