und eine Mark teurer und einen Schlag heftiger und einen Stich bunter, wir bleiben in der Verlustzone, in der wir uns schon häuslich eingerichtet hatten" (S. 60).
Aber dieses kleine Buch bietet mehr als nur das rechte Thema zur rechten Zeit. Das Wechselspiel der Zeitebenen untereinander und aller Ebenen wiederum mit dem Gedicht Fontanes ist eine gelungene literarische Leistung. Jede Zeitebene hat ihren Birnbaum als Charakteristikum. Der erste entspricht dem des Gedichts; sein Stumpf stand später als Reliquie mitten in der Kneipe und wurde in den unlängst zu Ende gegangenen Zeiten in die Abstellkammer verbannt. Der zweite, aus Tradition gepflanzte, wurde 1945 von den einrückenden Russen umgefahren. Einen dritten hatte man heimlich aus Trotz gegen die herrschenden Ideologen gepflanzt, die keine Legende von einem guten Gutsherren dulden wollten. Er hat nie Früchte getragen. Und Birnbaum Nummer vier kam aus dem Westen. Das festlich begossene teure Stück ist die falsche Sorte für diese Gegend und wurde an falscher Stelle gepflanzt. Kommt der Monolog in der Junkerzeit an, dann wird aus der Reibung zwischen Gedicht und Erzählung direkte Konfrontation. Ohne die positive Handlung der Ballade selbst in Abrede stellen zu wollen, entwirft der Autor ein Umfeld für sie, das kaum noch Raum für eine positive Bewertung läßt. Er zeigt das Leben der Dorfbewohner mit harter Arbeit von früh bis spät für einen Hungerlohn, mit Prügel und Mützeziehen vor dem hohen Herrn.
Episode auf Episode setzt sich ein düsteres Bild der Demütigung zusammen. Ja, sogar das mittelalterliche Recht der ersten Nacht wird ins Spiel gebracht, das aus den ob ihrer Armut beschenkten Dorfkindern die illegitimen eigenen werden läßt. In einem so gesteckten Rahmen verkommt die mildtätige Haltung des alten Ribbeck im Gedicht zu einer in Wirklichkeit läppischen Geste. Die Verflechtung von Gedicht und Erzählung erschöpft sich nicht in der inhaltlichen Abhängigkeit beider Texte voneinander. Wendungen aus der Ballade sind in die Erzählung eingeflochten, z.B. " goldene Herbsteszeit" (S. 51, 78), “ein Birnbaum in seinem Garten stand" (S. 64), "wiste 'ne Beer?" (S. 71), “kumm man röwer, ick hebb 'ne Birns " (S. 70). Am Schluß des Buches fließt alles ineinander, der Westschnap tut seine Wirkung, aus der Rede ist Gestammel geworden und Gedichtfetzen und Anspielungen auf Vergangenheit und Zukunft gehen ineinander auf.
Friedrich Christian Delius gilt als linker Autor, d.h. als sozial- bzw. kapitalismuskritisch, der einen unartifiziellen Dokumentarstil dem Ringen um Formvol- lendetheit deutlich vorzieht. Diese Kennzeichnung kann sich auf Prosawerke, wie "Schöne neue Siemenswelt" oder "Fensterplatz Mogadishu", berufen. Daneben war er immer auch experimentierfreudiger Lyriker. Erst kürzlich legte er einen Band Gedichte in japanischer Tanka-Form vor. Japanische Rolltreppen, Hamburg 1989)
Jetzt scheinen beide Schaffensstränge des Autors zusammenzufließen. Es entsteht eine Verbindung dabei, an die man noch denken wird.
Ribbeck, Ribbeck, da war doch was?
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