Andrew Hamilton: Rheinsberg. Das Schloß, der Park, Kronprinz Fritz und Bruder Heinrich. Hrsg, von Franz Fabian. - Berlin: Aufbau-Verlag 1992. 270 S.
(Rez.: Peter Görlich)
Es gehört zu den unumstrittenen Tatsachen, daß der große Romancier Theodor Fontane bereits in seinem Jahrhundert zu jenen Autoren zu zählen war, die sehr unmittelbar und direkt auf andere Texte wirken konnten. Die Rezeptionsgeschichte des Fontaneschen Oeuvres ist wahrlich ein sehr "weites Feld" und wissenschaftlich bei weitem noch nicht erschlossen. Ein neues Mosaiksteinchen erscheint nun in diesem Kontext durch Franz Fabians Herausgabe des sorgsam edierten und liebevoll gestalteten Reisebuches von Andrew Hamilton "Rheinsberg. Das Schloß, der Park, Kronprinz Fritz und Bruder Heinrich" im für die Fontane-Literatur so verdienstvollen Aufbau-Verlag zu Berlin.
Rheinsberg, einschlägiges Touristenziel und historisches Kleinod im nördlichen Teil der Mark Brandenburg, hat in der deutschen Literatur vor allem durch Fontanes Wanderungen und Kurt Tucholskys "Bilderbuch für Verliebte" seine Spuren hinterlassen. Hamiltons Reisebuch ist dahingehend einerseits natürlich auch eine interessante Zugabe zur regionalhistorischen Literatur bezüglich Rheinsbergs und seiner näheren Umgebung, andererseits aber auch und besonders ein sehr konkreter Reflex auf den ersten Band der Wanderungen durch die Mark Brandenburg.
Wer war jener Andrew Hamilton und wie entstand das Buch, das sich so würdig in die lange und große Tradition europäischer, speziell englischer Reiseliteratur des 18. und 19. Jahrhunderts einreiht. Von Hamilton ist so gut wie nichts bekannt geworden. Der Herausgeber hat selbst intensiv nachgeforscht und auch in verschiedenen Londoner Bibliotheken recherchieren lassen, ohne jedoch nachhaltigen Erfolg damit zu erzielen: der schreibenden Hamiltons gab es viele, unser Reisender hat offenbar nur diesen einen Text hinterlassen. Angedeutete Spekulationen des Herausgebers über ein vermutliches Pseudonym führen auch nicht sonderlich weiter.
Der sich selbst als simplen "Touristen" bezeichnende Hamilton bereiste Rheinsberg im Sommer 1872 für ca. drei Wochen. Er war auf das märkische Städtchen durch die Lektüre der damals sehr populären Friedrich-Biographie von Thomas Carlyle gestoßen, die der englische Essayist und Historiograph in sechs Bänden zwischen 1858 und 1869 erscheinen ließ. In Rheinsberg führte Hamilton offenbar sehr akribisch Tagebuch, das dann später zur verläßlichen Grundlage seines Buches avancierte. Die Erstausgabe seiner Rheinsberg-Beschreibung erschien in zwei Bänden bei John Murray in London 1880, die Ausgabe in deutscher Übersetzung, ebenfalls zweibändig, folgte relativ rasch in den Jahren 1882/83. Nachweisbar ist ein sehr großes Interesse des englischen Lesers, über den Absatz in Deutschland ist wenig bekannt. Desto mehr ist die Neuausgabe, die sehr zu Gunsten des Lesers und der Lesefreudigkeit vom Herausgeber gekürzt wurde, hervorhebenswert.
Hamilton verschweigt keineswegs die "Anregungen", die er für sein Reisebuch durch Theodor Fontane und seine Wanderungen durch die Grafschaft Ruppin erhalten hat. Ganz im Gegenteil! Daß dabei zumindest stellenweise auf dem
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