Heft 
(1992) 53
Seite
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schmalen Grat, der die "Anregung" vom Plagiat trennt, von Hamilton gewan­delt wird, sei dem "simplen Touristen" verziehen. In dem sehr allgemein gehal­tenen Abschnitt über die Mark Brandenburg erfolgt der direkte Hinweis auf die Einleitung zu den "Wanderungen", die gleichsam auch die Reise Hamiltons initiierte. Als direkte Quelle wird Fontane in den Bemerkungen zum "Menzer Forst", zu Köpernitz, zur Rheinsberger Kirche und zur Stadt Rheinsberg er­wähnt.

Das Reisebuch Hamiltons hat als ein Stück erzählender Prosa einen beinahe "klassischen" Aufbau: den Rahmen bildet die detailliert beschriebene Situation des Reisenden, seine Unterkunft und seine Verköstigung u.ä. Dort eingewoben ist dann der eigentliche Kern des Erzählten, die Beschreibung der Stadt und der Landschaft, der Architektur, der Lebensweise der Menschen und ihre Mentalität, der Mythen und Sagen der Gegend, vor allem aber des Schlosses und Parkes von Rheinsberg. Von dort führt die direkte Linie zur umfänglichen Darstellung eines wichtigen Abschnittes preußischer Geschichte.

Das sogenannte Zentrum des Kernes, man verzeihe die Tautologie, bildet die historiographische Sicht auf die Rheinsberger Jahre Friedrich II., die sich dort anschließenden seines Bruders Heinrich und das sehr diffizile, ambivalente Ver­hältnis der beiden königlichen Brüder. Unter diesem Aspekt erweist sich das Reisebuch des englischen "Autors" vor allem auch als ein außerordentlich inter­essanter Beitrag zur Kulturgeschichte des 18. Jahrhunderts in Preußen. Unsere Vorstellungen vom Begriff "höfisches Leben" werden umfänglich bereichert. Besonders anregend sind die Beobachtungen Hamiltons zum Interieur und sei­ner Funktion im Zusammenhang von Repräsentation und Lebensgefühl.

Der Liebhaber der Architektur des 18. Jahrhunderts und der Gartenbaukunst dieser Zeit wird ebenfalls an diesem schönen Band seine Freude haben. Sehr einfühlsam werden der Park, seine gartenbauliche Gestaltung, der Obelisk, be­sonders aber das Schloß und seine Gemälde, vor allem die Pesnes, vor den Augen des Lesers wachgerufen.

Fast prophetisch klingen Hamiltons futuristische Sentenzen zu einer möglichen touristischen Erschließung des Städtchens und seiner Umgebung, ohne daß un­ser Reisender vor über 120 Jahren natürlich die Risiken und ökologischen Fol­gen auch nur annähernd übersehen konnte. Hier hat ihn die Zeit längst über­holt, ansonsten bereitet uns sein Reisebuch jedoch noch mancherlei Vergnügen.

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