Der diametrale Gegensatz zu Fontane manifestiert sich dann in dem Satz, den Storm 1864 seinem Freund Brinkmann entgegenschleudert, als dieser ihn um mehr Zurückhaltung gegenüber dem Adel, insbesondere gegenüber dem Herzog von Augustenburg bittet:
„ich sage Dir, der Adel (wie die Kirche) ist das Gift in den Adern der Nation" (18.1.1864).
Mit entsprechenden Vorstellungen ist Storm 1864 aus Preußen nach Schleswig- Holstein zurückgekehrt. 19 Um so größer war seine Enttäuschung, als die Preußen dann auch in Schleswig-Holstein ihr nach seiner Meinung undemokratisches System zu etablieren begannen. Er sprach von der „verfluchten Junkerbrut", von „frecher Junkerherrschaft", ja sogar von „preußischem Terrorismus" (an Pietsch, 27.12.1864 u. 12.5.1866) und wollte sich als „Tyrtäus der Demokratie" (so wörtlich an seinen Freund Brinkmann am 14.1.1864) für eine neue Ordnung einsetzen.
Daß Storm und Fontane, obwohl sie damals in ganz verschiedenen politischen Lagern standen, dennoch freundschaftlich miteinander verkehren konnten, zeigt ihre persönliche Begegnung in Husum im September 1864. Diese Begegnung war - um noch einmal Helmuth Nürnberger zu zitieren - sicherlich „ein Wagnis, ging jedoch gut aus". 20 Es ging gut aus, weil sie sich als Menschen und Dichter respektierten. Dabei wurden die politischen Meinungsverschiedenheiten offenbar keineswegs ausgeklammert. Denn Storm berichtet Ludwig Pietsch.
„... er (Fontane) ist trotz seiner Mitgliedschaft an der +++ (Kreuzzeitung) doch ein traitabler Mensch und - ein Poet. Wir haben uns in den paar Stunden fast um den Hals geredet". (Sept./Nov. 1864).
Auch für Fontane war es - trotz ihrer politischen Dissonanzen - eine freundschaftliche Begegnung. In seinem Notizbuch vermerkt er: „Husum und Storms Haus sehr nett. Bei Storm geplaudert und feierlich... Gesundheiten ausgebracht ". 21 An anderer Stelle notiert er sich die Szenerie um Husum und fügt hinzu: „...es gibt wohl keine Lokalität in Deutschland, die von derselben Hand so oft und so meisterhaft beschrieben worden wäre. Diese Hand ist die Th. Storms..." 22 Dennoch brachen die politischen Gegensätze zwischen ihnen kurze Zeit später wieder auf. Am 7. Dezember 1864 waren die siegreichen preußischen Truppen, die die Dänen aus Schleswig-Holstein vertrieben hatten, feierlich in Berlin eingezogen. Fontane hatte aus diesem Anlaß ein Einzugslied geschrieben und es Storm zugeschickt. Wenn man dieses Lied liest, wundert man sich nicht, daß Storm es nur formal als „meisterhaft" bezeichnet, inhaltlich aber scharf abgelehnt hat (ich zitiere die 1., 2. .und letzte, die 7. Strophe) 23 :
Einzug
(7. Dezember 1864)
Wer kommt? wer?-
Fünf Regimenter von Düppel her.
Fünf Regimenter vom dritten Korps Rücken durchs Brandenburger Tor;
55