„Niemand kann das spezifisch preußische Wesen mehr hassen als ich, denn ich halte es für den Feind aller Humanität..."
Fontane entwickelte sich Ende der 50er Jahre und in den 60er Jahren politisch nach einer entgegengesetzten Seite hin. Für Fontane ist - wie er schon 1855 in seiner Rezension von Soll und Haben sagt 14 - „Preußen der Staat der Zukunft", ln England bzw. während seiner Reise durch Schottland erinnert er sich an das „Land" an der „Havel" mit den Worten: 15
„Es ist der gesunde Kern, daraus Preußen erwuchs, jenes Adlerland, das die linke Schwinge in den Rhein und die rechte in den Njemen taucht",
Formulierungen, die dann eingehen in sein Preußenlied zum 13. Mai 1861. Es ist das Gedicht, das unter der Überschrift Du Adlerland 16 Preußen ein „glücklich Land" nennt, das „Gott... aufgerichtet" hat und das „fest... stehet", weil „Fürst" und „Volk" treu zueinander halten. Das Gedicht endet mit den Versen:
Aus Freiheit und aus Treue Sprießt immer Sieg aufs neue:
'Sei frei, sei treu!' solch Banner in der Hand,
Wirst siegen du, du deutsches Zukunftsland ."
Von ähnlichen politischen Grundvorstellungen sind Fontanes Wanderungen durch die Mark Brandenburg, jedenfalls die ersten Bände (1862 ff.), getragen. „Der Inhalt ist", wie Fontane dem Verleger Wilhelm Hertz mitteilt (31.10.1860), „entschieden konservativ".
Es ist kein Zweifel, daß Fontanes politisches Urteil damals - wie Helmuth Nürnberger es ausgedrückt hat 17 - „durch die Bindung an die 'Kreuzzeitung'... gefesselt ist." Es ist - um mit Walter Müller-Seidel zu sprechen - „dieselbe Zeit, in der Fontane der 'Poesie des Adels' fast kritiklos das Wort redet." 18 Damit vertritt Fontane eine Position, die der Stormschen diametral entgegengesetzt ist.
Storm tritt ein für eine demokratische, d.h. für eine von Standesvorurteilen und Adelsvorrechten freie Gesellschaft. Die Novelle Im Schloß (1861) z.B. propagiert die Aufhebung der Standesgrenzen zwischen Angehörigen des Adels und des Bürgertums. Der Frau des Landrats von Wussow, die ihn bittet, „nichts gegen den Adel zu schreiben", antwortet er in diesem Zusammenhang kategorisch: zu seinen „tiefsten Überzeugungen" gehöre, daß „Adel und Kirche... die zwei wesentlichen Hemmnisse einer durchgreifenden sittlichen Entwicklung..-" seien (an die Eltern, 9.12.1861). Und dem Landrat von Wussow selbst erklärt Storm später ebenfalls im Hinblick auf die Novelle Im Schloß:
„daß, wenn meine Poesie überhaupt einen Wert hat, auch die darin enthaltene Demokratie ihren Wert und ihre Wirksamkeit haben wird... Freilich ist unsre Wirkung nicht so rasch und so handgreiflich, als wenn eine Armee gesiegt hat, aber daß die Wirkung da ist, das empfinden doch in unsrer Zeit die Gewalthaber deutlich genug." (an Hans, Mai 1860).54