LITERATURGESCHICHTE / INTERPRETATION
Wulf Wülfing, Bochum*
Fontane, Bismarck und die Telegraphie 1
„Fontane und Bismarck", dieses Thema läßt sich - wie viele andere Fontane- Themen auch - auf zwei Ebenen untersuchen: auf der Ebene der (vergleichsweise) 'privaten' Texte - etwa der Briefe - und auf der Ebene der 'öffentlichen' Texte - etwa der Romane. Beide Ebenen können sich dadurch unterscheiden, daß Fontane auf der 'privaten' Ebene mehr oder weniger 'Klartext' redet, während er auf der 'öffentlichen' Ebene mehr oder weniger verschlüsselt spricht; dann haben wir es - Peter-Klaus Schuster hat in diesem Zusammenhang glücklich auf Erwin Panofsky zurückgegriffen - mit „disguised symbo- lism" zu tun; 2 mit Zeichen also, die sich tarnen, die sich nur verschlüsselt präsentieren. Solche bedeutungsvoll verschlüsselten Gegenstände und Sachverhalte sind in Fontanes Texten z.B. die Denkmäler und Gedenktage der preußischen Geschichte. 3
1. Die Briefe
Zunächst spreche ich kurz über die erste Ebene, die der Briefe. Hier beschränke ich mich auf die Markierung der beiden Extrempositionen Fontanes: Zustimmung und Ablehnung. Diese Extrempositionen werden in der Forschung traditionell durch Ausdrücke wie 'zwiespältig', 'widersprüchlich' o.ä. 'vermittelt', so z.B. bei Walter Müller-Seidel:
Man würde (...) nur längst Bekanntes mitteilen, wenn man feststellt, daß Fontanes Bismarckbild zwiespältig ist . 4
Hier nun die eine der beiden Extrempositionen:
Fontane betont nicht selten das Außergewöhnliche der Bismarck-Figur, wie durch drei Beispiele angedeutet werden soll. So schreibt er z.B. 1879:
Es ist wie mit unsrem Reichskanzler. Heißt er Schnökel oder Hasemann, so muß er der Glocke des Präsidenten gehorchen, heißt er Bismarck, so muß er ihr nicht gehorchen. Carlyle hat Recht, der Einzelne bestimmt alles, darf alles, wenn er der Mann danach ist. Daran hängt's.5
* Dieser und der folgende Beitrag gründen sich auf Vorträge, die während des 3. Fontane-Tages des Fachbereiches Germanistik der Humboldt-Universität Berlin am 24.02.1992 gehalten wurden. (Vgl. hierzu: FBI, Heft 53/1992, S. 29 ff.)