REZENSIONEN
Wolf Jobst Siedler: Wanderungen zwischen Oder und Nirgendwo. Das Land den Vorfahren mit der Seele suchend. 3. Auflage. - Berlin: Siedler 1990.144 S.
(Rez.: Joachim Kleine, Zeuthen)
Zwischen 1985 und 1987 geschrieben, danach nicht mehr bearbeitet - läßt sich das Büchlein dennoch für heute und morgen empfehlen? Im Titel läßt das „Nirgendwo" aufmerken. Liest man weiter, so fordert es zum Widerspruch heraus; denn geographisch können WJS'Betrachtungen recht genau umgrenzt werden: Es sind die einstmals preußischen Gegenden zwischen Elbe und Memel, denen er sich widmet. Am längsten verweilt er in Berlin und in der Mark, dorthin kehrt er immer wieder zurück. Hieße es in der Überschrift „zwischen gestern und so nie wieder", so hätte dies gewiß den Geist der Nachtrauer und der bitteren Resignation genauer getroffen, den Siedlers Selbstgespräche von der ersten bis zur letzten Seite atmen.
Ein Berliner des Jahrgangs 1926, einer, dessen „Schulweg durch stille Villenstraßen" führte, „in denen das Geräusch des Rasensprengers deutlicher zu hören war als der Marschtritt der Bürgerkriegsarmeen", erinnert sich der Welt, seiner Welt von einst, so wie sie sich ihm als jungem, wohlgratenem Sproß eines gehobenen Standes eingeprägt hatte. Er weiß, wovon er spricht; denn er kannte dieses Land Preußen, an dem er hing, das er noch immer liebt, wie nur einer. Er hat es geschaut, als es noch heil schien, hat seine Geschichte, ihre Höhen und Tiefen, ihre klangvollen Namen mit Inbrunst in sich aufgenommen. Verklärt, wie von mildem Abendlicht vergoldet, leuchten sie aus der Erinnerung herüber.
In Berlin beginnt er seine träumerische Reise, wie er sie selbst nennt, in der Stadt, die mehrmals in diesem Jahrhundert den fontaneschen „roten Hahn" aufsteigen sah, geschichtliche Wendungen ankündigend, über die die Stadt, das Land, der Kontinent in Trümmer fielen und auf Jahrzehnte auseinanderbrachen.
Kenner, der er ist, setzt er bei denen, die ihm folgen, Kennerschaft voraus, die nur des beiläufigen Hinweises, nicht aber der Begründung und Erklärung bedarf.
Westwärts lenkt er dann seinen Blick, schaut, flüchtig nur, hinüber zu den geschichtsträchtigen Gefilden zwischen Elbe und Rhein, um sich von hier nach Osten zu wenden, genauer gesagt: „dem Osten" zu, jenen Landstrichen, die aus der Sicht des Westlers als verloren galten, seitdem 1945 die Demarkationslinien längs von Elbe und Werra, Oder und Neiße in des Wortes doppelter Bedeutung festgelegt worden waren. Schmerzhafte Empfindungen bewegen den Reisenden: „Erinnerungen, Ahnungen, an Weggabelungen und Ortsschil- 136