Heft 
(1992) 54
Seite
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Zählte das gemeine Volk so gar nichts, das an diesem wie an anderen Plätzen säte, erntete, lebte, sich freute, litt und schließlich dafür sorgte, daß das Dorf nach der vernichtenden Schlacht um die Seelower Höhen wieder auflebte, überlebte?

Gemeinhin rät man niemandem dazu, ein Buch vom Schluß her anzulesen. Hier möchte man es tun. Da beschreibt WJS Neuhardenberg, das damals noch Marxwalde hieß, und dies ist sein Vokabular:

... verhunzte Gegenwart. Das Schloß, leer und ruiniert",der englische Park Pücklers - verwilderte Wiese".Kein Rad auf Kies, längst ist die Auffahrt zu überwachsenem Pfad geworden..."Zerstoben, was diese Schlösser einst bevölkerte, keine preußischen Aristokraten mehr, die Schlachten und Verse machen, keine geistreichen Jüdinnen, die lange Briefe an märkische Junker richten...",nur Heruntergekommensein";es gibt Neu-Hardenberg nicht mehr."

Genug solcher düsteren Worte. Setze dich in deinen Wagen, Wanderer, oder in irgendeinen der vielen Touristenbusse, die seit Jahr und Tag dorthin fahren! Du wirst Schloß und Park und Dorf ansehnlich finden, von verständigen Händen mit Liebe schon Jahre vor der Wende wiederhergestellt, Herberge seitdem für vielerlei Musen und Grazien in der Mark, gastliche Stätte, eine der freilich noch wenigen, sich aber sichtlich vermehrenden Sehenswürdigkeiten des Oderlan­des.

Nein, ein Buch vom Heute ist es nicht. Und für heute oder gar morgen taugt es eigentlich auch nicht recht. Wer freilich das schmerzlich-süße Ziehen in der Brust mag, das ein müdes Herz anzeigt, dem sei das Buch empfohlen.

Theodor Fontane: Grete Minde. Nach einer altmärkischen Chronik. Mit einem Nachwort von Peter Demetz. - Frankfurt/M: Inseltaschenbuch 1989. 154 S.

(Rez. P. I. Anderson, Aalen)

Ästhetizismus und Brandstiftung

Band für Band vervollständigt sich im Insel-Verlag die Reihe Fontanescher Erzählungen, die zunächst einmal mit stolzen Preisen aufwarten - das vorlie­gende Bändchen kostet 10 Mark. Allerdings bekommt der Leser dafür die ent­sprechende Buchqualität: das Papier ist schwer, weich und haltbar, der Druck ist groß und gestochen scharf, die Ränder sind breit. Einen wissenschaftlichen Apparat wie in den Reclam-Ausgaben gibt es allerdings nicht. Eine Ausgabe für Genießer? oder eine für jene Leser, die sich lieber mit der Hauptsache als mit Sekundärem beschäftigen, denn Bibliographien sind schnell abgeschrieben, aber aufwendige Randvermerke brauchen viel Platz und feste Unterlage, die nicht bald vergilbt. 138