gesellschaftlichen Normen inszenierten Verführung und schließlich das Opfer der Bestrafung des Patriarchats für ihre Regelübertretung wird. Opfer wird Effi auch unter den Händen des Erzählers, dem „die Verachtung des Weiblichen" mit Flaubert und Richardson gemeinsam sei (S. 114) und der die Meisterschaft des Erzählens und die Geschlossenheit der Romanwelt dazu benutze, das „Todesurteil für die Heldin" unausweichlich zu machen (S. 116). Sein kritisches Potential diene dazu, nicht die Ordnung an sich, wohl aber den individuellen Umgang mit ihr in Frage zu stellen. Wenn in den hier sehr verkürzt zusammengefaßten Ausführungen auch manche richtige Beobachtung zu finden ist, so gehört doch ein gerüttelt Maß an Duldsamkeit dazu, dies alles in den recht groben Zuschnitt des Modells eingekleidet zu sehen. Erinnern wir uns: Ein Modell ist nichts anderes als eine maßstabsgerechte Verkleinerung, bei der etliche Details außer acht gelassen oder zumindest stark vereinfacht werden müssen. Dem Bildhauer oder dem Architekten ist ein Modell ein Vorbild, das in anderem Format und in einem anderen Werkstoff ausgeführt wird - etwas, das die Verf. leider übersieht. Bereits die Sprache - oft flott, gelegentlich unsensibel - und die Argumentation - ein wenig essayistisch, ein wenig assoziativ und recht apodiktisch - leistet hierzu ihren Beitrag. Die rigorosen und gelegentlich überraschenden Schlußfolgerungen aus einer nicht sehr eingehenden Textanalyse wünscht man sich doch differenzierter ausgeführt und begründet, als dies hier geschieht. Ein Problem der Modellkonstruktion ist, daß die Autorin zwar Romane verschiedener Literaturen und Epochen heranzieht, sich aber dennoch mit einer recht schmalen Basis begnügt. Dies gilt auch für den einzelnen Roman: Effi Briest ist zwar ein herausragendes Werk Fontanes, aber doch ebenfalls eine schmale Basis für die Beurteilung der Darstellung der Frauenfrage bei diesem Autor (bezeichnet dieser Roman das „Modell Fontane"?). Inwiefern sind Fontane und Hahn-Hahn repräsentativ für das Bild der Frau in der deutschen Literatur des 19. Jahrhunderts? Und inwiefern ist diese Efft-Briest-lnter- pretation hilfreich und progressiv als Verstehensangebot? Natürlich kann und soll eine Darstellung, die sich übergreifenden Themen und Zielen zuwendet, nicht eine jedes Detail neu entdeckende Romaninterpretation anbieten. Doch vermitteln plakative Etikettierungen und handliche Kategorien nur fragmentarische Einsichten in die Typologie einer Gattung und die Erzählstrategien eines Autors.
Ebenso wie die männlichen Erzähler und die männlichen Romanfiguren auf die patriarchalische Perspektive festgelegt werden, bedingt und produziert auch die feministische Interpretationsperspektive genau das, was sie den Männern vorwirft: Einseitigkeiten und scheinbare Eindeutigkeiten, die zur Verhärtung tendieren und Differenzierendes kategorisch zurückweisen. Ob man es so provokativ formulieren muß wie M. Seiler, der der feministischen Literaturwissenschaft vorwirft, für sie habe „ein Text nur noch ein ideologischer Bestätigungscode zu sein" (Die Zeit, 25.10.1991), mag dahingestellt bleiben; zumindest sollte man sich aber auch den männlichen Perspektiven der Erzähler und der Interpreten (selbst)kritisch stellen können. Man(n) möge es der Rezensentin verzeihen, wenn sich ihre Solidarität mit ihren Geschlechtsgenossinnen in engen Grenzen hält. Mit solchen Platzpatronen jedoch, wie sie hier mit Getöse 146