abgefeuert werden, ist es wohl kaum möglich, eine wie immer geartete Phalanx „patriarchalischer" Literaturwissenschaftler aufzustören. Die Werkzeuge einer so gehandhabten feministischen Literaturwissenschaft erweisen sich als stumpf, wenn sie eben das erreichen, was sie ihren männlichen oder männlich gesinnten Kontrahenten vorwirft: die Bestätigung eines Klischees und die einseitige Betrachtung komplexer Zusammenhänge.
Um die Spiegelung und Reflexion tradierter Postulate an Weiblichkeit im literarischen Text und sein Verhältnis zu Deutungsmustern in der bildenden Kunst geht es Gabriele Althoff in ihrer Studie „Weiblichkeit als Kunst", die sich Fontanes L'Adultern als argumentativen Mittelpunkt wählt. Die gedachte Verbindungslinie vom Roman des 19. Jahrhunderts zu Ehebrecherinnengemälden der Renaissance und damit von der „entfalteten bürgerlichen Gesellschaft des 19. Jahrhunderts" zum 'Ursprung' der bürgerlichen Gesellschaft im 15./16. Jahrhundert" (S. 118) erscheint zunächst überraschend, doch erlaubt Fontanes epische Integration eines Tintoretto-Gemäldes eine solche Anknüpfung, um die Vorstellungen und Gestaltungsweisen von Weiblichkeit als Kunst bzw. Weiblichkeit in der Kunst in ihren jeweiligen historischen Kontexten zu überprüfen und zu vergleichen. Am Anfang also stehen ausführliche Analysen zu Fontanes L'Adultera, denn hier ist es die spätere Ehebrecherin selbst, die der Erzähler bewußte Bezüge zu Tintorettos „Ehebrecherin vor Christus" hersteilen läßt, die ihre potentielle Affinität zu diesem gemalten „Vor-Bild" spiegelt. Bezeichnend für die Struktur des Romans und Melanies Entwicklung sei ihre „Mimesis an die Ehebrecherin", doch sei es gerade diese Auseinandersetzung mit dem gemalten Muster, das dazu beitrage, eine neue „Intensität des Fühlens" freizusetzen (S. 15). Um aufzuzeigen, daß die „Affinität zwischen der gemalten und der literarischen Ehebrecherin eine qualitativ-inhaltliche" ist (S. 15), wendet sich Althoff der Analyse jener Textpassagen zu, die die konventionellen, von der literarischen und bildenden Kunst sanktionierten Konzepte von Weiblichkeit, wie sie sich in der Auffassung von Liebe, Schuld, Scham und Schönheit manifestieren, thematisieren. Einen ersten Hinweis, in welcher Weise der Erzähler seine Hauptfigur diese Deutungsmuster hinterfragen läßt, gibt Melanies Interpretation der Ehebrecherin Tintorettos: „Es ist so viel Unschuld in ihrer Schuld". Indem sie aufzeigt, wie „konsequent" dieser Satz „in die Gestaltung e ingeflossen ist" (S. 26), gelingt es der Verf. nachzuweisen, daß die Neubewertung und Überwindung jener Konzepte Melanies „Weg der Subjektwerdung" (S. 25) begleitet, Fontane somit ihren „Anspruch auf Überschreitung des Deutungsmusters von Weiblichkeit" gestaltet (S. 33).
Auch hier geht es erst in zweiter Instanz um eine Fontane-Interpretation im engeren Sinne, doch rückt der hier betrachtete Roman, aufgefaßt als exemplarisch für die Brechung und Neuorientierung kulturell tradierter Wertungskategorien, keineswegs in den Rang eines bloß soziokulturellen Demonstrationsob- jekts. Mit der kritisch reflektierten Verknüpfung von „Fragestellungen aus der literaturwissenschaftlichen und sozialwissenschaftlichen Frauenforschung" ( v gl- S. 7 f) gelingt es ihr, die „Frage nach den gesellschaftlichen Funktionen von Weiblichkeitsbildern im jeweiligen historischen Kontext" ebenso aufschlußreich wie differenziert zu entfalten. 147