Kindes aus dem Meere zeigt, hatte Fontane in seinem Bericht über die Londoner Kunstausstellung von 1856 mit „fast religiöser Ergriffenheit" (S. 25) beschrieben. Zuberbühler schreibt darüber weiter: „Die fast die Form eines Offenbarungserlebnisses annehmende Begegnung mit einem Neufundländer-Gemälde Landseers dürfte den Ort bezeichnen, an dem sich diese Hunderasse Fontanes Phantasie bemächtigte und in seine dichterische Welt einwanderte. Denn um ein Kunsterlebnis, nicht um spontane Hundeliebe scheint es sich in der Tat zu handeln..." (S. 26). Fontane ist also wahrscheinlich über die Kunst zur Tierliebe gelangt.
Grundsätzlich ist dem Buch Zuberbühlers zu entnehmen, daß sich Fontane auf die dem Menschen zugewandte Seite des Hundes, seine unkonventionelle Liebe und Treue zum Menschen, konzentriert. Die volle Naturhaftigkeit des Tieres, seine Triebhaftigkeit, bleibt ästhetisch-notwendig unberücksichtigt. Nach den Worten des Autors (S. 21) lehnt Fontane offensichtlich aus aufklärerischen Gründen und aus der ästhetischen Überzeugtheit von der zentralen Stellung des Menschen in der Kunst auch ein 'dionysisches Versöhnungsfest' (Friedrich Nietzsche in der Geburt der Tragödie) zwischen Mensch und Natur ab, wie es Heinrich von Kleists Penthesilea im Kampf gegen Achill ansatzweise mit ihren Hunden praktiziert.
Trotz der Konzentration auf die dem Menschen zugewandte Seite wirkt die Hundedarstellung bei Fontane nicht einseitig oder gar allegorisch. Zum Eindruck der Ganzheitlichkeit trägt auch die genaue Beobachtung der psychischen Reaktionsweisen der Tiere bei.
Die Kapitel, die sich mit der ästhetischen Funktion und Bedeutung der Hunde für die Handlungsstruktur beschäftigen, tragen als Überschriften die Namen der Tiere „Hektor", „Uncas und Boncoeur" und „Rollo".
Von Hektor, dem Neufundländer der Familie von Vitzewitz auf Schloß Hohen- Vietz im Roman Vor dem Sturm, heißt es u.a.: „... ihm ist im Roman eine Hauptrolle zugedacht... Daß sich Hektor bei seinen Liebesbezeigungen jeweils auf Menschenhöhe aufrichtet, ist sichtbarstes Zeichen seiner Menschenähnlichkeit... Wie Hektor elementarer Gefühlsregungen fähig ist, so wird ihm auch ein gewisses Maß an Willens- und Entscheidungsfreiheit zuerkannt... Im Neufundländer Hektor erhält das politische Hauptthema (der wirklichen Treue, Bie.) seine Symbolfigur". Der Neufundländer Uncas in Quitt ist „wieder die lebendige Verkörperung der Treue bis in den Tod". Boncoeur in Cécile verkörpert mehr „das Moment der Anhänglichkeit und der Liebe". In seinen unermüdlichen Zärtlichkeitsbezeigungen unterstreiche der Neufundländer des Hotels Zehnpfund das „auf Huldigung gestellte" Wesen (Fontane) der nervösen, reizbaren Romanheldin. Notwendig komme er im zweiten, in Berlin handelnden kälteren Teil des Romans nicht mehr vor. Boncoeur leitet mit seiner vertieften Einsenkung in die Textstruktur unmittelbar zu Rollo hinüber. Mit dem Neufundländer der Briests erreicht die Aneignung Edwin Landseers durch Fontane ihren sublimen Höhepunkt. Bereits am Beginn des ausführlichsten Kapitels in Zuberbühlers Studie heißt es: „Die Hundegeschichten, die im Verlauf des Romans erzählt werden, sind - ein künstlerischer Fortschritt gegenüber 152 Cécile - aktuali-