Menschen Herzen..." wurde ein Motiv angeschlagen, das die Referentinnen und Referenten der Tagung in unterschiedlicher Weise aufnahmen.
Helmuth Nürnberger (Flensburg-Hamburg) stellte den Fontane vor, der in seinen späten Gedichten - nicht ohne Ironie - über die (seine) Künstlerexistenz reflektiert. Der Beitrag ist unter dem Titel „Sie kennen ja unsren berühmten Sänger..." in den Fontane-Blättern erschienen. Der Heidelberger Germanist Gerhard vom Hofe nahm sich den Preußenroman Vor dem Sturm- vor und zeigte, wie Fontane darin das Motiv der Erneuerungsbedürftig keit politischer wie familiärer Verhältnisse durchführt. In Fontanes eigener Deutung erzählt der Roman bekanntlich vom „Eintreten einer großen Idee". Vom Hofe führte aus, wie an die Stelle der dramatisch strukturierten, eschatologischen Zeitvorstellung, der zufolge Geschichte durch den großen Moment und die großen Taten ihr Gepräge erhält, auch die vergleichsweise gleichförmiger fortgehende Zeit treten kann. „Versöhnung und Erneuerung geschehen auch ohne die forcierte Tat und ein Wirken im Großen. Versöhnung geschieht zumeist unspektakulär; und oft verbunden mit einem eher temperierten Glück".
Karla Müller (München) lenkte in ihrer Auslegung von Irrungen, Wirrungen und Effi Briest die Aufmerksamkeit auf die Innenwelt der Personen, auf ihre irrationalen Wünsche, Ängste und Triebe, die den Figuren oftmals nicht oder nur diffus bewußt sein, gleichwohl aber als Handlungsmotive und Erkenntnisbarrieren bedeutungsvoll sind. „Fontanes Romanfiguren sind... nur zum Teil jene bewußtseinshellen, scheinbar autonomen Individuen, die in geistreichen Gesprächen die Probleme analysieren, die sie mit ihrer Rollenexistenz haben; sie bergen auch Bereiche, die sie nicht adäquat zu artikulieren vermögen. In innerer Hinsicht also sind sie begrenzt durch die Faktoren, die sich ihrer bewußten Reflexion entziehen. Die Fehleinschätzungen einer Situation durch das Denken in vorgegebenen gesellschaftlichen Mustern, die Selbstentfremdung durch die Übernahme von Fremddefinitionen, der Durchbruch irrationaler Triebkräfte - all dies ist für die Handlungen der Personen von Bedeutung, läßt sich aber nicht mehr von den Figuren selbst formulieren."
Walter Müller-Seidel (München) griff in seinem Beitrag zum Spätwerk und zur Alterskunst Fontanes auch die dunkle Seite bei Fontane auf. Die Frauengeschichten Fontanes würden, weil die Männer vor diesen Frauengestalten versagten, immer wieder zu Krankengeschichten. Gerade der alte Fontane bewege sich an Themen, die auch von jüngeren Autoren seiner Zeit verhandelt würden, und stehe damit am Übergang zur Moderne.
Einen anderen Zugang zur Innenseite der geschilderten gesellschaftlichen Zustände in Fontanes Romanen wählte der Mainzer Theologe E i 1 e r t H e r m s . Er wollte nicht Fontanes eigene Weltanschauung, seine weltliche Christlichkeit oder christliche Weltlichkeit diskutieren, sondern fragen, wie Fontane das Christentum, seine Frömmigkeit und seine Institutionen im Funktionszusammenhang der von ihm geschilderten gesellschaftlichen Zustände 158