beschreibt und beobachten, „welche Funktionen und Leistungen dieses Christentum in den dargestellten Zuständen der preußischen Ordnungen tatsächlich erbringt oder der gesellschaftlichen Öffentlichkeit schuldig bleibt". H e r m s kommt in der Analyse der Fontaneschen „Liebesgeschichten" zu dem Ergebnis: „Die Frage nach der Qualität einer jeden gesellschaftlichen Ordnung entscheidet sich für Fontane an ihrer Innenseite, an dem Lebensgefühl, das sich in ihr entwickelt und das sie wiederum trägt. Über das Schicksal einer Gesellschaft entscheidet dann die Kraft zur Bildung der Herzen, des Gefühls, der Liebe. Von strategischer Bedeutung sind daher diejenigen gesellschaftlichen Institutionen, die es ex officio mit diesem Geschäft der Seelsorge im weitesten Sinne zu tun haben... Fontane hört nicht auf, gerade den Institutionen der christlichen Tradition für diese Bildungsaufgabe eine undelegierbare, unersetzliche Verantwortung zuzuschreiben."
Was fast 200 Teilnehmerinnen und Teilnehmer zu dieser Tagung über Fontane nach Bad Herrenalb lockte, darüber läßt sich natürlich nur spekulieren. Karla Müller meinte, daß die Komplexität des künstlerisch gestalteten Menschenbildes Fontane auch heute noch zu einem Autor macht, den man nicht nur aus historischem Interesse liest. Fontanes Romane schildern zwar eine heute vergangene Welt, erzählen freilich von Menschen, die, auch wenn sie auf Grund sozialer Schranken und/oder einem schwer auflösbaren Gemenge von eigener und fremder Schuld zu scheitern scheinen, ihr Geschick auf eigentümliche Weise bestehen können. Untergründig scheinen die Leser die Geste der Rechtfertigung zu spüren, die bei Fontane nicht die aufgehende, wohl aber die „niedersteigende Sonne" verspricht, die am Schluß eines Romans die Landschaft mit den Grabsteinen „vergoldet".
Helen Chambers
Fontane-Symposium and Workshop in London - Bericht
Am 24. April 1992 fand im Institute of Germanic Studies, London, ein Symposium über Theodor Fontane statt. Veranstalter waren Prof. A. Bance (Southampton), Dr. H. Chambers (Leeds), Prof. C. Jolles (London).
Am Vorabend trafen sich einige der Teilnehmer zum Essen bei „Simpsons in the Strand", wo Fontane in den 1850er Jahren eine Zeitlang täglich hinging, weil man dort im dazugehörigen „Cafe Divan" umsonst die kontinentalen Zeitungen lesen konnte. Das Restaurant ist inzwischen auf Grund seiner vornehmen und vor allem langen Vergangenheit sehr exklusiv geworden und ist sozusagen nicht mehr in Fontanes Preislage. Roastbeef und Yorkshire Pudding stehen aber nach wie vor auf dem Menü. Zum Symposium selbst kamen etwa sechzig Teilnehmer, wenn nicht „aus allen fünf Weltteilen , so doch aus Deutschland, Schottland, England, Irland, Wales und der Schweiz. Prof. 159