Kann sich der Fontane-Eggers-Briefwechsel im Rang auch nicht messen an denen mit Bernhard von Lepel oder dem Ehepaar Henriette und Wilhelm von Merckel, so ist er doch in vielfacher Hinsicht aufschlußreich. Es muß einer anderen Gelegenheit vorbehalten bleiben, darüber gründlich Rechenschaft abzulegen.
Die hier edierten Briefe gruppieren sich, wie bereits erwähnt, um Fontanes Aufgabe seiner Stellung in London. Diese Entscheidung des in preußischem Dienst und Sold stehenden Journalisten bereitet allen Biographen mehr oder minder Kopfzerbrechen, weil in ihr auf schwierigste Weise Politisches mit Psychologischem und Biographisches mit Historischem verknüpft sind. Besonders für die, die Fontane gerne in Distanz zum Manteuffelschen Lager und mit Sympathien für die Konstitutionellen und Liberalen sehen wollen, bedeutet seine Entscheidung für die abtretende Regierung mehr als nur ein Darstellungsproblem. Kaum weniger trifft das auf Fontanes Wankelmütigkeit zu, für die man gerne einen tieferen Grund oder einen höheren Zweck anzugeben wünschte. Charlotte Jolles unterscheidet zwischen dem politischen Fontane und dessen künstlerischer Natur, um die Entscheidung einsehbar zu machen. „Der politische Fontane empfing überreiche Nahrung, der Künstler kam nicht auf seine Rechnung." 8 Nicht weil die Fahne, der er „wenn auch ohne Überzeugung - gedient" 9 habe, fiel, habe er seinen Dienst quittiert, sondern weil er mit Anstand zurück in die Heimat wollte, von der er sich Produktivität, „Aufregung und Anspannung" 10 erhoffte.
Hans-Heinrich Reuter sieht in Fontanes Verhalten ein „neues Selbstbewußtsein" des „Menschen Fontane". 11 Er habe gleichsam einen Sprung der Befreiung vollzogen, in dem er „die letzten Reste einer Bindung als Staatsangestellter" 12 löste. Kompromiß und Verzicht überwogen, die Perspektive des „Zwi- schen-den-Stühlen-Sitzens" sei Realität und fortan Lebenspraxis geworden. Der zum Beweis für diese Auffassung vielzitierte Brief Fontanes an Bernhard von Lepel vom 1. Dezember 1858, der die „ganz gemeine Pflicht des Anstands und der Dankbarkeit" gegenüber Manteuffel betonte und den Wunsch formulierte, „ganz einfach Fontane" 13 sein zu wollen, gilt auch Helmuth Nürnberger als Schlüssel für die Deutung.
Ihm erscheint der Schriftsteller als ein Taktierer, in dem schon der späte Fontane durchscheint, der sich dann „ganz als Privatmann und als unabhängiger Kritiker wird fühlen können." 14 Fontanes relativ erfolgloser Wechsel nach Berlin sei, wie der Dichter zu Recht befürchtet habe, durch sein angebliches Man- teuffelianertum verursacht worden. 15 Schuld also sei unterstelltes politisches Fehlverhalten. Nach der Lektüre des Briefwechsels mit Friedrich Eggers sind diesbezüglich Zweifel erlaubt.
Einig sind sich die Biographen darin, daß Fontane aus London wegwollte, daß er literarisch und nicht politisch zu schriftstellern beabsichtigte und daß seine konservative Gesinnung, wenn überhaupt, dann in einem „höheren" Sinn zu fixieren sei. Überdies neigen die Lebensbeschreibungen dazu, Fontane als ein Opfer von Mißgunst anzusehen, dem der Weg zur kritischen Redlichkeit durch alle möglichen Umstände erschwert worden sei. Die helfenden Freunde in Berlin, allen voran Friedrich Eggers, erscheinen dabei nicht selten als eigentliche
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