REZENSIONEN
Edith H. Krause: Theodor Fontane. Eine rezeptionsgeschichtliche und übersetzungskritische Untersuchung. - Bern u.a.: Peter Lang 1989. 284 S.
(Rez.: Hans Ester, Nijmegen)
In ihrer Arbeit verfolgt Edith Krause - Dozentin an der Moorhead State Uni- versity - zwei Ziele: „Die vorliegende Arbeit stellt zum einen die Frage nach der Rezeption Fontanes im englischen Sprachraum, wobei die USA und England im Vordergrund stehen; das Hauptinteresse wendet sich zum andern jedoch einzelnen Übersetzungen zu, die als spezifischer Teil der Rezeptionsgeschichte zu sehen sind. Diese Übersetzungen sollen im Vergleich mit dem Original eingehend analysiert werden. Das Ziel der Untersuchung ist es, festzustellen, ob die Kunstleistung Fontanes, die poetische Machart seiner Werke, sein künstlerisches Verfahren und damit auch die dichterische Aussage in einer dem Original entsprechenden Weise in der Übersetzung repräsentiert sind. Es soll herausgefunden werden, ob die vorhandenen Übersetzungen geeignet sind, dem englischsprechenden Leser das Werk Fontanes nahezubringen, und ob sie in der Lage sind, die spezifische Leistung Fontanes zu vermitteln" (S. 1).
Wenn die Verteilung der Schwerpunkte innerhalb dieser Arbeit in der Reihenfolge der Erkenntnisziele zum Ausdruck gebracht worden wäre, so hätte die übersetzungskritische Untersuchung im Titel den Vorrang gehabt. Die Begründung der umgekehrten Reihenfolge liegt darin, daß der Befund der rezeptionsgeschichtlichen Untersuchung die Grundlage für die Relevanz guter Übersetzungen von Fontanes Werk schafft. Das negative Resultat der rezeptionsgeschichtlichen Untersuchung führt zu praktischen Empfehlungen, beziehungsweise Forderungen hinsichtlich der Übersetzung. Im Grunde fließen beide Forschungsansätze nicht automatisch ineinander über. Dies wäre höchstens dann der Fall, wenn die Rezeption Fontanes in den angelsächsischen Ländern in direkter Beziehung zur Qualität der Übersetzungen seiner Werke stünde. Ob Krause dies nachweisen kann, frage ich mich. Die Voraussetzung dafür ist nämlich, daß die Kriterien der Forschung sich decken mit den Bewertungskriterien der Leser.
Um es gleich am Anfang zu sagen: Die Stärke dieser Arbeit liegt nicht im Rezeptionsteil, sondern in den übersetzungskritischen Analysen. Rein quantitativ umfaßt der Rezeptionsteil nur knapp sechzig Seiten. Hierin versucht Krause nachzuweisen, daß Fontane allgemein gesprochen (außerhalb der Germanistik), bis 1988 wenigstens, eine literarische Randfigur geblieben sei. Die Beweisführung dieser These ist mager und beruht meistens auf Informationen aus zweiter Hand. Hierin zeigt sich die Gefahr einer zu starken Anlehnung an die Gedanken Hans-Heinrich Reuters.
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