Heft 
(1993) 56
Seite
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Übersetzung dar. In der genauen Analyse ihrer Gestaltung, in der Betrachtung ihrer Mängel und Siege, hoffen wir, Schritt für Schritt, d.h. Wort für Wort, dem Geheimnis des Fontaneschen Schaffens wenigstens etwas näher zu kommen. Dabei ist die Übersetzung nicht nur als solche zu betrachten, sondern auch in ihrer Vermittlerfunktion. Es soll ihr schließlich gelingen, die Kunst Fontanes weiterzutragen; also muß danach gefragt werden, ob auch dem Leser der Über­setzung die Möglichkeit gegeben ist, den besonderen künstlerischen Charakter der Werke Fontanes zu erfassen. Der Ruhm des Autors gründet sich auf das Schwebend-Leichte, Grazile seiner Sprache. Das 'Wie' der Darstellung ist ihm ebenso wichtig wie das 'Was', das ja erst in dem 'Wie' seinen authentischen Charakter findet. Wenn Fontane in einem anderen Sprachraum eine Chance eingeräumt werden soll, muß dieses 'Wie', die Handhabung der Sprache, in der eine ganze Welt aufgehoben ist, eine entsprechende Umsetzung finden" (S. 78).

Auch geht die Verfasserin auf den spezifischen historischen Kontext der Romane Fontanes ein:Die verschiedenen Bereiche, in denen die Überset­zungs-Äquivalenz eine Rolle spielt, sind der Bereich der denotativen Äquiva­lenz (hinsichtlich außersprachlicher Sachverhalte), der konnotativen und text­normativen oder stilistischen Äquivalenz (hinsichtlich der Art der Verbalisie­rung sowie der Text- und Sprachnormen), der pragmatischen oder kommuni­kativen (d.h. der empfängerbezogenen) Äquivalenz und der expressiven Äqui­valenz im Hinblick auf 'sprachspielerisch-sprachthematisierende und individu­alstilistische Eigenschaften' des ausgangssprachlichen Materials. Ebenso ist auch das schriftlich niedergelegte oder sich im Übersetzungsverfahren manife­stierende Vorverständnis des Übersetzers mitzureflektieren" (S. 87).

Sehr überzeugend analysiert Krause den Roman Frau Jenny Treibel. Was sie hier leistet, ist für die Bewertung der Übersetzung des Romans von großer Relevanz. Die Analyse ist aber auch für sich betrachtet höchst aufschlußreich und gehört zum Besten, was bisher über Frau Jenny Treibel publiziert wurde. So weist Krause genau nach, welche Bedeutung des epische Gesetz der Perspekti- vierung für Fontane besitzt. Bei der Wiedergabe der künstlerischen epischen Struktur und im Bereich der historischen Einzelheiten liegen die Fallstricke für den Übersetzer:Der Informationswert der Werke Fontanes wird also recht hoch veranschlagt. Gerade darin liegt aber auch eine entscheidende Schwierig­keit für den modernen Leser Fontanes und vor allem für den Leser der Über­setzung. Insbesondere letzterem bleibt das Material unauslotbar, denn es feh­len oft zielsprachliche Äquivalente für Sachverhalte politischer, institutioneller oder sozialer Art oder auch z.B. Hintergrundwissen hinsichtlich bestimmter Tatsachen aus der Tagespresse und dergleichen, die zur Entstehungszeit im Ursprungsland allgemein bekannt waren" (S. 108). Zu den gemeinten Sachver­halten gehören etwa Höflichkeitstitel, Anredeformen, Ehrentitel, Bildungswis­sen, topographische Angaben, Währungen und Nahrungsmittel.

Nicht weniger interessant sind die innersprachlichen Elemente in ihrer Bedeutung für die Übersetzung. Die Probleme, die mit der übersetzerischen Realisierung solcher innersprachlichen Elemente verbunden sind, behandelt Krause im Zusammenhang mit den Übersetzungen der Romane Irrungen, Wir­rungen, Frau Jenny Treibel und Effi Briest. Es geht dabei um lexikalische Katego-

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