kennenlernte, die Lektüre vollständiger Erzähltexte erleichtern. Auch wer schon zu den Storm-Freunden gehört, wird an Bekanntes erinnert, zu unrecht fast Vergessenes und Unbekanntes, biographisch und werkkundlich durch ein informatives Begleitwort erläutert, vorfinden. Eine Tafel zu Storms Leben und Zeit und ein knapper, auf bedeutsame Daten und Fakten konzentrierter Erläuterungsteil geben Verständnishilfen zu den ausgewählten Texten, so daß grundlegende Einsichten und Urteile über Storms Leben und Schriften ermöglicht werden. Auf diese Weise können die dargestellten Textbeispiele zu einem modifizierten Stormbild beitragen. Dieses Lesebuch legitimiert sich auch durch die Absicht, Storms Verflechtung mit der politisch-sozialen Umbruchsituation seiner Zeit, sein politisches Engagement und sein Interesse an sozialen Fragen vorzustellen. Es ermöglicht dem Leser, Einblicke und Einsichten zu gewinnen in literarisch-biographische Facetten Theodor Storms als eines erst allmählich national und international anerkannten Schriftstellers des „poetischen Realismus".
Das mit diesem Lesebuch gelungene Arrangement charakteristischer Texte des Lyrikers, Novellisten, Erzählers und Briefschreibers Theodor Storm lädt gerade auch jüngere Leser ein zu abwechslungsreicher Lektüre eines empfehlenswerten Lesebuches. Was hatte schon Lessing vom gemischten Lesepublikum am meisten erwartet? - „Wir wollen weniger erhoben / Und fleißiger gelesen sein."
Frederick Betz/Jörg Thunecke: „Heiteres Darüberstehen oder Doppelzüngigkeit?" Die Familienbriefe ( 1905 ) Theodor Fontanes: Ein unbekannter Text ( 1922 ) von Fritz Mauthner. - Nottingham: im Selbstverlag 1992 . 49 S.
(Rez.: Paul I. Anderson, Aalen)
Notizbuch 22 macht Karriere
Vor gut zehn Jahren, bei Recherchen im Zusammenhang mit dem Aufspüren und Veröffentlichen von Theodor Fontanes Briefen an Fritz Mauthner, stieß Jörg Thunecke im Mauthnerschen Nachlaß in der Archivabteilung des New Yorker Leo Baeck Institutes u.a. auf das ordentlich archivierte, mit Bleistift teilweise beschriebene Notizbuch Nr. 22. 1 Die längere Teilhälfte brachten er und Frederick Betz bereits 1984 unter der Überschrift „Fritz Mauthners Berliner Jahre 1876-1905" 2 heraus, kurz bevor Fontanes Briefe an Mauthner in den Heften 38 und 39 der „Fontane Blätter" 3 erschienen. In beiden Veröffentlichungen wurde auf einen „letzten Willen" Mauthners verwiesen, der mit der erwähnten Veröffentlichung in Zusammenhang stünde und bald erscheinen werde. Daß dieses Versprechen erst 1992 durch Selbstverlag in England gehalten wurde, hat bestimmte Gründe, die der jüngeren Germanistengeneration als Negativbeispiel dienen können, wie man mit dem literarischen Erbe nicht umgehen
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