Mit der Erwähnung des räumlichen Mißverhältnisses muß nun auch die Qualität des Kommentars und Anhangs angesprochen werden. Wer die o.g. Veröffentlichungen aus den „Fontane-Blättern" 1984/85 kennt, erinnert sich bestimmt und ungern an eben dieses Mißverhältnis.
Vor allem schienen die Herausgeber damals einen Weltrekord im Fußnotenschreiben aufstellen zu wollen. Es ging so weit, daß manche Fußnote eine soeben gelesene wiederholte, was noch mehr verwunderte, da sehr viele davon entweder nur Querverweise zu anderen Fußnoten waren oder solche Querverweise enthielten: wozu denn die ganze Redundanz? Inzwischen scheint man die bit -sparende Taste gefunden zu haben, aber das Hauptübel bleibt.
Obwohl die Fußnoten nicht mehr wie Pilze aus dem Boden schießen, sucht man noch vergebens nach einer ernstzunehmenden geistesgeschichtlichen, psychologischen oder literarischen Wertung. Stattdessen wird zu guter Letzt die Fontane-Forschung allen Ernstes aufgefordert, die „Korrektur unseres bisherigen Bildes vom Brief-Schreiber Fontane und Schaffung einer neuen Perspektive" (S. 36) fortzusetzen. Hier wurde eine wissenschaftliche Gelegenheit erst inflationiert und dann wie ein Schwarzer Peter weitergereicht. Anscheinend konnten oder wollten die Herausgeber kein eigenes, einigendes Konzept entwickeln. Um solches tun zu können, hätten sie nämlich das werden müssen, was sie nicht waren: Experten in Sachen Mauthner und seinen Themen. Solche sind nicht zahlreich, aber ein paar qualifizierte Arbeiten aus den siebziger Jahren werden hier erwähnt. 5 Doch auf sie wird nicht wirklich eingegangen, die Autoren werden auch nicht konsultiert.
Schon die uferlose Überschrift verrät nichts als Ratlosigkeit. Der Ausdruck „Doppelzüngigkeit" kommt bei Mauthner nicht einmal andeutungsweise vor, sondern überspitzt einen Teilaspekt seiner gequälten Überlegungen allzu absichtlich. Auch die Wahl der Formel „Heiteres Darüberstehen" aus dem Jahre 1937 - als Antipode zum 1923 verstorbenen Mauther - kommt einem halben Anachronismus gleich. Darüber muß man auch begreifen, daß Friedrich Fontane „Heiteres Darüberstehen" - der Titel der damals veröffentlichten Familienbriefe - als Motto seiner eigenen „inneren Emigration" verstanden wissen wollte, während der damalige Student Henry Remak - dem es mehr um den Vater als den Sohn ging - diese Formel in seiner Rezension ablehnte und auf einhellige Zustimmung traf. Daß die Formel trotz besseren Wissens immer noch manchem Feuilletonschreiber gefällt, ist eine Sache für sich. Jedoch zu behaupten, die Fontane-Forschung habe sich jemals einer solchen Auffassung hingegeben, ist keine Polemik, sondern eine Unterstellung.
Zwischen „Entdeckung" und Veröffentlichung vergingen also zehn Jahre - genug Zeit, um ein eigenes Konzept zu entwickeln. Doch weit gefehlt: die nur eine Seite lange Einleitung; die 31 langen Fußnoten dazu auf mehr als zehn Seiten; die 16 Seiten „Kommentar zum Text" und die auf 6 Seiten verteilten 83 Fußnoten dazu können den fehlenden, einen Zusammenhang schaffenden Aufsatz nicht ersetzen. Was uns statt eines solchen angeboten wird, ist eine Zitate und Bemerkungen aneinanderreihende Materialsammlung, die mit der Aufforderung an Unbekannt endet, bittschön die Denkarbeit zu tun. Was die Heraus-