Bibliophile Kabinettstücke - vorgestellt von Dieter Buchhierl, Berlin
Theodor Fontane: Stine. Mit acht farbigen Original-Radierungen von Hajo Mattern. Berlin: Berliner Bibliophilen Abend, Jahresgabe für die Mitglieder, 1992/1993. 72 S., 26 x 33 cm, Leinen.
Theodor Fontane: Der alte Wilhelm. Drei kleine Geschichten. (Der Karrenschieber von Grisselsbrunn. Der alte Wilhelm. Im Coupé). Mit fünf Radierungen von Horst Hussel. Neu-Isenburg: Edition Tiessen, 66. Druck, 1991, 33 S., 21 x 31 cm, Pbd. mit Schuber.
Dem Theodor-Fontane-Archiv ist es erfreulicherweise gelungen, diese beiden bibliophilen Buchausgaben zu erwerben, die in strikt limitierten Auflagen von nur 100 bzw. 135 Exemplaren gedruckt worden sind. Wer sich für moderne buchkünstlerische Raritäten interessiert und Gelegenheit hat, das Archiv zu besuchen, sollte nicht versäumen, sich die schönen Bücher vorlegen zu lassen.
Die „Stine"-Ausgabe enthält den auf Bütten sorgfältig gedruckten Text nach der Erstausgabe von 1890. Bei den auf gesonderten Blättern stets rechtsstehend eingeklebten Originalgraphiken handelt es sich um Handabzüge von acht Radierplatten, die der Künstler direkt vor dem Druck mit den verschiedenen Farben getönt hat - eine heute nur noch ganz selten ausgeübte Technik. Jedes Blatt ist außerdem numeriert und handsigniert.
Und wie Fontane in dieser Novelle oder „dem kleinen Roman" aus der Mitte Berlins zwei Welten, zwei Gesellschaftsschichten, einen alten Grafen und die Witwe Pittelkow heikel „aufeinanderplatzen", den jungen Waldemar sich aussichtslos und unstandesgemäß in das Mädchen Stine verlieben läßt; so gibt Mattern keine bloß ausmalenden, erläuternden Illustrationen zu dieser disparaten Geschichte, sondern völlig eigenständige, ebenso mehrschichtige Paraphrasen bestimmter Schlüsselszenen, die dem Betrachter Vorder- und Hintergründiges gleichzeitig zu betrachten und zu bedenken geben.
Erwähnenswert auch, daß diese würdige Bibliophilen-Jahresgabe in jeder Beziehung Berlinisch ist: Autor, Thema, Graphiker (Mattern, *1951, seit Mitte der 70er Jahre hier auch als Architekt tätig), Buchgestalter, Drucker und Buchbinder - alle sind hier heimisch.
Die drei kleinen Geschichten des Tiessen-Drucks, zwischen 1884 und 1892 entstanden, kommen bescheidener daher, aber der Band ist mit gleicher Liebe und buchkünstlerischer Kompetenz gestaltet worden: Handsatz aus der Janson- Antiqua mit wohlüberlegtem Satzspiegel, Schriftgrad und Durchschuß; Büttenpapier Vélin d'Arches; solider, blaugrau bezogener Pappband mit Vignette.
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