Auch aus Fontanes Brief an Stephany vom 16. April 1886 ( Hanser Brief-Ausgabe, Bd. 3. S. 466) geht Fontanes Wertschätzung Schlenthers hervor: "Brahm-Schlenther die besten Nummern der jungen Schule"; “von Natur gescheit, gut geschult und gebildet, Fleißig, klar und gute Stilisten und in ihren besten Momenten auch mit Witz ausgestattet". Stephany hatte offensichtlich Vorbehalte gegen den "Überheblichkeitston" der "Schererschen Schule" und Fontane bittet um "Gnade".
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Nr. 5: An Dr. Paul Schlenther
Berlin 9. März 86 Potsd. Str. 134. c.
Hochgeehrter Herr.
Wir waren gestern also bei L. Die Stimmung ist so günstig für Sie wie nur möglich und ich bezweifle nicht, daß L. mit seinen Anschauungen und seinem Willen schließlich der Siegreiche bleibt. Es bleibt aber doch sehr fatal für Sie, daß St. bis auf einen gewissen Grad dagegen ankämpft. Ich glaube nicht, daß diesem Ankämpfen irgend etwas persönlich gegen Sie Gerichtetes zu Grunde liegt, durchaus nicht, er geht nur davon aus, daß Gr., weil schon "im Dienst" die Vorhand hat. Beide Anschauungen, die von L. wie die von St., sind berechtigt und nachgiebige Naturen würden schnell Frieden schließen können. Aber beide sind harte Steine. So wird denn die Reibung wohl noch eine Weile dauern und Ihre Diplomatie bez. auch Ihre Geduld, wird noch auf manche Probe gestellt werden. L's sind Sie sicher, St. muß langsam erobert werden.
Wie immer Ihr Th. F.
L: Carl Robert Lessing (1827 - 1911), Landgerichtsdirektor in Berlin, Haupteigentümer der Vossischen Zeitung.
Randbemerkung auf der Briefabschrift Paul Schlenthers: "Emilie Fontane hatte dem Eigenthümer der Voss. Ztg., Herrn C. R. Lessing, Schlenther als zweiten Theaterkritiker (neben Th. F.) empfohlen. Lessing nahm diese Idee auf, stieß aber beim Chefredakteur Stephany auf Schwierigkeiten, weil dieser das Kritikeramt dem damaligen Localredacteur des Blattes, Carl Grod- deck zugesagt hatte und daher Schlenther lieber an Groddecks Stelle zum Localredacteur machen wollte. Das Problem wurde dadurch gelöst, daß Groddeck bald darauf die Voss. Ztg. mit der "Post" vertauschte."
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