Heft 
(1994) 57
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Nr. 8: An Dr. Paul Schlenther

Berlin 25 Januar 87 Potsd. Str. 134. c.

Hochgeehrter Herr.

Endlich schicke ich, mit bestem Dank, das Gespensterbilletgeld, das sel­ber so lange "umgegangen" ist und nicht zur Ruhe kommen konnte. Damals dachte ich, die Kosten sollten aus der Einnahme bestritten werden, wonach der Einzelne vielleicht hoch besteuert werden mußte; nun habe ich aber nachträglich auf dem Zettel gelesen "Wohltätigkeitsmatinee", - was mich hoffen läßt, daß 5 Mark ausreichen werden.

In Ihrer Kritik über die "Bluthochzeit" habe ich besonders die Stelle: "Was gestern und vorgestern etc" bis "so tief er fallen mag" mit Dank und Freu­de gelesen. Das aber kann ich nicht zugeben, daß die Lösung einer psy­chologischen Aufgabe, das Historische schädigen soll. Shakespeare leistete Beides. Lindner freilich nicht. Gehört er nicht überhaupt zu den in alter Zeit von der Nat. Ztg. "Raufgepufften?" Heut ginge das nicht mehr. Die Professoren sind längst nicht mehr der Weisheit letzter Schluß. - Ich bin nicht für Geldheirathen, im Gegentheil, wenn's sein kann, zieh' ich das Umgekehrte vor. Erst kommt das Herz. Ich habe meine Frau, wie man in Schleswig-Holstein sagt "auf eine Obertasse und einen silbernen Löffel hin" geheirathet (ich selbst hatte noch weniger) und wir haben es beide nicht bereut. Es ist aber sehr gefährlich, was auch wir gründlich erfah­ren haben. Will man aber gar das, was allerdings Paragraph 1 ist, zum gesammten Codex machen, so protestiere ich feierlich -

Wie immer Ihr Th. F.

Gespensterbilletgeld: Anspielung auf Henrik Ibsens (1818 - 1906) Drama Gespenster. Die Aufführung hatte am 8. Januar 1887 stattgefunden, als Matinee zu Ehren des anwesenden Dichters im Residenztheater.

Kritik über die "Bluthochzeit ": Handschriftliche Bemerkung Friedrich Fonta­nes auf der Briefabschrift: '"Die Bluthochzeit', oder 'Die Bartholomäus­nacht'. Trauerspiel von Albert Lindner. 1871. Siehe auch das Fontanesche Gedicht 'Puritanerpredigt' (Katharina von Medici) in der Cottaschen Aus­gabe, S. 171."

Albert Lindner (1831 - 1888) schrieb Dramen und Novellen.

Nat. Ztg.: National-Zeitung (1848 - 1938), begründet als bürgerlich-liberale Zeitung, später Organ der bismarcktreuen Nationalliberalen Partei.

zum gesammten Codex machen: vgl. Fontanes Rezension über die Gespenster- Aufführung in der Vossischen Zeitung, Nr. 19, vom 13. Januar 1887: "Noch einmal Ibsen und seine Gespenster", in der er Ibsens Thesen ("1. Wer sich verheiraten will, heirate nach Neigung, aber nicht nach Geld. 2. Wer sich dennoch nach Geld verheiratet hat und seines Irrtums gewahrt wird, [...]

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