Charlotte Jolles: Theodor Fontane. 4., überarb. u. erw. Aufl. - Stuttgart: Metzler 1993. XIX, 187 S. (Sammlung Metzler; 114)
(Rez.: Bettina Plett, Köln)
Seit mehr als vier Jahrzehnten widmet sich Charlotte Jolles mit gewissenhafter Gründlichkeit, geistreich und immer höchst anregend der Fontane- Forschung, und seit mehr als zwei Jahrzehnten begleitet die Fontane-Forscher ihr Buch, das trotz seines bescheidenen Umfangs ein Standardwerk genannt werden darf und das im Literaturverzeichnis jeder Arbeit, die sich mit Fontane befaßt, sei es eine Proseminararbeit oder eine Habilitationsschrift, ein Aufsatz oder eine umfassende Studie, beinahe zwangsläufig aufgeführt werden muß.
Systematisch gegliedert ohne Schematisierung, konzis ohne Verkürzung, präzise ohne Spitzfindigkeit informiert auch die erweiterte vierte Auflage den Leser über Leben und Gesamtwerk, Persönlichkeit und Weltbild des Schriftstellers, die Wirkungs- und Forschungsgeschichte sowie die Materialien (Nachlaß, Editionen, Hilfsmittel). Lange, reflektierte Erfahrung sowie der sichere Blick für das Wesentliche bezeichnen die sachkundige Darstellung der Autorin und ermöglichen es auch dem kritischen Leser, ihrem Urteil zu vertrauen, selbst dort, wo sie die umfangreiche und vielschichtige Forschung etwa zu einem der Romane auf drei Seiten zusammenfassen muß. Der Text wurde gegenüber der 3. Auflage nur an einigen notwendigen Stellen geändert oder ergänzt; die meisten Umarbeitungen und Aktualisierungen betreffen das "Materialien"-Kapitel, wo sich bei der Verzeichnung der handschriftlichen Nachlässe und der Beschreibung der Überlieferungslage die Situation nach der Wiedervereinigung Deutschlands im positiven Sinne spiegelt. Es erhöht die Übersichtlichkeit und die Handlichkeit des Bandes als Nachschlagewerk, daß dieses Kapitel an den Schluß der Darstellung gerückt wurde und die Verzeichnisse der Literatur zum Gesamtwerk wie der Literatur zu Einzelaspekten nun auch im Inhaltsverzeichnis als eigene Abschnitte ausgewiesen sind.
Als 1972 die erste Auflage des Bandes erschien, stand er am Anfang einer neuen, intensivierten und anders akzentuierten Auseinandersetzung vor allem mit den literarischen Werken Fontanes und hier besonders den Romanen, eine Phase, über die die zweite und vor allem die dritte Auflage (1983) ausführlich berichten konnte. Im Vergleich dazu glaubt Charlotte Jolles nun feststellen zu können, daß "die fachwissenschaftliche - Beschäfti gung mit dem Werk Theodor Fontanes (...) im letzten Jahrzehnt (...) etwas nachgelassen hat" (S. XV), doch ergab die bibliographische Aktualisierung (Stand: Sommer 1992) "immerhin rund vierhundert neue Veröffentlichun- gen", die, wenn vielleicht nicht eine Neuorientierung, so doch eine gse ewi s Schwerpunktverschiebung deutlich werden lassen. Neben der weiterhin rege betriebenen Editionsarbeit (Vervollständigung der "Wanderungen Edition, Gedichte, Briefeditionen) wird nun den zuvor eher vernachlässig-
114