Heft 
(1994) 57
Seite
120
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Kleingeschichte, sei sie nun havel-, spree- oder oderländisch, sich mit der großen, weltbewegenden in enger Wirkungsbeziehung befindet..."

Diese Einsicht, die sich auch in seinen detailverliebtesten Schilderungen immer wieder durchsetzt und mit der das Buch (S. 159) endet, bewahrt de Bruyn davor, auch nur in die Nähe von Heimattümelei oder eines lokalbor­nierten Provinzialismus zu geraten.

Was bietet "Mein Brandenburg" im einzelnen? Nicht alles darin Enthaltene ist soeben erst der Feder seines Verfassers entflossen. Wer seine Bücher kennt, wird manchem Bekannten wiederbegegnen und finden: stellenweise etwas abgemagert, im Wesen aber derselbe geblieben. Dies gilt für die Betrachtungen über das Bild der Mark von einst, die den Liebhabern die Fotodokumentation "Märkische Ansichten" tiefer verstehen halfen. Es gilt für de Bruyns Gedanken über Fontane und Kossenblatt. Und es gilt für die beiden Essays über Friedrich Wilhelm August Schmidt, den dichtenden Pastor aus Werneuchen sowie über den "Romantiker im Havelland", Frie­drich de la Motte Fouqué, deren poetische Leistungen er der Vergessenheit entriß und in beziehungsreichen Nachworten würdigte. Dies alles sind ansehnliche Blumenstauden aus dem von Günter de Bruyn und Gerhard Wolf seit 1980 bestellten und sorgam gepflegten "Märkischen Dichtergar­ten". Nun erleben sie - zur Freude gewiß nicht nur neu sich einstellender Besucher - ihre zweite oder gar dritte Blütezeit.

Erstmals gedruckt erscheinen der erste und der das Buch beschließende Aufsatz. Der erste, einleitende - "Märkische Heide, märkischer Sand" - will offenkundig den der Mark fernen, mit ihr noch unvertrauten Leser bei der Hand nehmen, ihm die Augen für die verborgenen Schönheiten des Lan­des öffnen und bei ihm Verständnis für geschichtliche Zusammenhänge des Werdens und Wachsens der Mark, ihrer Zerstörung oder Gefährdung wecken. In ihm meint der Rezensent den Lehrer de Bruyn wiederzuent­decken, der seine Schüler verlockt, mit ihm in Wald und Flur wie in den Gemäuern altehrwürdiger Städte, Dörfer und Schlösser den Geheimnissen "seiner" Mark Brandenburg nachzuspüren.

Der zweite Essay - "Das Oderland literarisch" - begleitete schon im Okto­ber 1992 Mitglieder und Gäste der Theodor-Fontane-Gesellschaft rund um das Oderbruch. Ähnlich dem Kossenblatt-Essay ist auch dieser eine von de Bruyns Annäherungen an den Dichter der märkischen Lande. Zu Theodor Fontane, dessen Einfluß auf ihn, wie er bekennt, "freilich der stärkste gewesen" sei, kehrt Günter de Bruyn immer wieder zurück. In den beiden hier zu betrachtenden Arbeiten tut er das wie weiland sein Landlehrer Pötsch in den "Märkischen Forschungen": auf eine beharrlich ergründende und bei allem Respekt ganz unehrerbietige Weise. Unbekümmert um - Lehr meinungen und Lesarten, folgt er des Meisters Spuren, prüft dessen Aus- sagen auf Stichhaltigkeit und stellt sie richtig, wo immer es unwiderlegi- l che Beweise gebieten. So öffnet er sich und anderen neue Sichten auf anscheinend längst und hinreichend Beschriebenes, ln beiden Arbeite n