hen, eben weil sie u.a. auch Lady Chatterly kennen. Daß Gelfert auch solche Fragen erörtert, halte ich für sehr hilfreich für die Praxis.
Marcel Prousts monumentaler Versuch, mit Auf der Suche nach der verlorenen Zeit (1913 - 1927) die Gesamtheit eines erinnerten Lebens und dessen "Eigentlichkeit" zu beschreiben, ist Gegenstand einer Interpretation, in der Gelfert das Besondere dieser Prosa ("Vollendung des Realismus") deutlich zu machen versteht, es erhebt sich aber die Frage nach den tatsächlichen Möglichkeiten unterrichtlicher Beschäftigung mit diesem siebenbändigen Mammutroman. Immerhin zielen Gelferts Bemerkungen zu Prousts Werk ebenso wie die zu dem anschließend interpretierten Ulysses von J. Joyce (1922) darauf, zum Lesen solch schwieriger Texte zu ermutigen, Hilfestellungen anzubieten - das ist wichtig genug.
Mit den letzten drei Interpretationen kehrt Gelfert wieder zur deutschen Literatur zurück. Auch hier geht es ihm darum, Wege zum Verstehen und Erleben der Texte zu zeigen. An Franz Kafkas Roman Das Schloß (1926) zeigt er, wie sich für den Autor die Wirklichkeit in unauflösliche Antinomien aufgespaltet hat. Kafka bricht die Wirklichkeit, so Gelfert, "durch hypothetische Annahmen zur Kategorie des Möglichen hin auf und zeigt als Antinomie, was in realistischer Literatur naiv für Wahrheit ausgegeben wird" (S. 171). Unter dem Aspekt, daß viele Autoren nach Kafka wieder "auf den Boden des Realismus zurückgekehrt sind, wenngleich nicht mehr naiv (...), sondern in einer vielfach gebrochenen, realitätsverfremdenden Form" (S. 171), interpretiert Gelfert Günter Grass’ Die Blechtrommel (1959). Als "Prankenhieb eines Löwen" (S. 172) bezeichnet er den Roman, und er richtet sein Bemühen darauf, die unterschiedlichen Schichten des Textes sichtbar zu machen. Die letzte Interpretation gilt Max Frischs Mein Name sei Gantenbein (1964), in dem, so Gelfert, "der Realismus auf den Kopf gestellt" werde. Ein Ich probiert verschiedene Rollen oder Masken, diesen Masken werden dann Geschichten zugeschrieben - das erzählende Ich, so schließt Gelferts Interpretationsangebot, versucht in einem Netz heuristischer Entwürfe sein Leben einzufangen. Doch das wirkliche Leben kann nicht erzählt, sondern nur gelebt werden, dies könne "das letzte und tiefste Fazit" des Romans sein (S. 184).
Ganz zum Schluß weist Gelfert noch auf postmoderne Entwicklungen in der Prosaliteratur hin, bei denen "die Fiktion nicht mehr als Abbild von Wirklichkeit erscheint, sondern umgekehrt die Wirklichkeit als Diskurs unzähliger Fiktionen" (S. 184). Auf Werke dieser Art, das betont Gelfert, ist das von ihm vorgeführte Instrumentarium kaum oder gar nicht anwend- bae r- Im Anhang des Buches gibt es wertvolle Literaturempfehlungen, di eine schöne Auswahlbibliographie zum Roman allgemein, zur Poetik und Theorie des Romans, zur Theorie und Struktur des modernen Romans und natürlich zu den interpretierten Texten darstellen; außerdem werden nütz- liche Buchreihen und Sammelbände mit Interpretationen aufgeführt. Gel- fertünschen. s Arbeit sind viele Benutzer zu w
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