Heft 
(1994) 57
Seite
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Preußens Adoptivkinder. Der Weg der Hugenotten nach Brandenburg. Ein Film der Thomas Wilkening Filmgesellschaft mbH. Potsdam 1993. 55 Minuten.

(Rez.: Peter Schaefer, Potsdam)

Dieses ambitionierte und inzwischen bereits in verschiedenen Fernsehpro­grammen ausgestrahlte Video-Projekt ist in vielerlei Hinsicht sehr bemer­kenswert. Der Film erzählt ganz konkret die Geschichte der Einwanderung der Hugenotten aus Frankreich nach Brandenburg-Preußen. Er erzählt damit, fernab aller äußerlichen Anlässe, die Geschichte einer großen europäischen Wanderungsbewegung, die den wichtigsten geglückten Assi­milationsprozeß in Deutschland darstellt.

Beginnend mit Calvin und der Reformationsbewegung samt den Versu­chen der Gegenreformation über die Geschichte der Einwanderung (um 1700 war jeder fünfte Berliner ein Refugié) bis hin zu einer Fülle von klang­vollen Namen im 19. Jahrhundert wird ein weites Feld abgesteckt. In welch hohem Maße hiesige Wirtschaft und Kultur des 17. und 18. Jahrhunderts von Hugenotten zunächst beeinflußt, später geprägt wurde, macht der Film durch eine große Zahl von einprägsamen Beispielen deutlich: von der Einführung der Kartoffel über einige Ur-Berliner Spezialitäten wie die Ber­liner Weiße, über die Verfeinerung vieler Handwerke und Künste waren es besonders Hugenotten, die für Preußens - wenn auch bescheidenen - Reichtum sorgten.

Die Assimilation wird so als Leistung sowohl der preußischen Herrscher (durch das Einräumen günstiger Ansiedlungsmöglichkeiten) als auch der Eingewanderten selbst erklärt. Doch erst an einer späteren Stelle im Film erfährt man, daß das zu recht vielgepriesene Musterbeispiel für preußi­sche Toleranz nicht nur auf reiner Menschenliebe, sondern auch auf hand­festen materiellen Interessen des brandenburgisch-preußischen Hofes

beruhte.

Fontanes Äußerungen über die Hugenotten nehmen einen kleinen, aber nicht unwichtigen Teil des Filmes ein. Dabei fällt auf, daß gerade sein Blick auf seine Vorfahren von Distanziertheit nicht frei war.

Die Zeitumstände haben es mit sich gebracht, daß der Zuschauer eine solche Dokumentation nicht mit rein historisch interessiertem Blick betrachten kann. Einer der Verdienste des Films ist es, den Gefahren einer oberflächlichen Aktualisierung erfolgreich ausgewichen zu sein. Dies gelingt durch einen beinahe zu nüchternen Kommentar, der die sehr ein­rucksvollen Bilder begleitet. Gedreht wurde an historischen Schauplät- zen, deren Aufnahmen sich mit beeindruckenden Bildern von originalen Dokumenten abwechseln.

Sicherr unbeabsichtigt ist der Streifen auch eine Demonstration der Mög- lt i chkeiten wie der Grenzen des Mediums Film. Denn einerseits gewinn den r Film durch feinfühlige und abwechslungsreiche Kameraführung a Opulenz und Dynamik, wie ein Buch sie kaum bieten kann, andererseits wine rd der Zuschauer durch die Fülle des Materials sehr strapaziert - oh

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