Heft 
(1990) 49
Seite
66
Einzelbild herunterladen

Marginalien über Max Tau

Max Tau (1897-1976) gehört zur Generation meiner Großväter; jener Generation, deren Leben zwei Weltkriege beeinträchtigten.

Erst über eine sehr spezielle Bibliographie erfuhr ich von Taus aufklärerisch- menschenfreundlichem, völkerverbindendem Wirken. Was leicht greifbaren Nach­schlagewerken entnommen werden kann, bleibt unwiederholt.

Den Judenhaß der Nationalsozialisten bekam Max Tau zu spüren, doch 1938 entkam er der sich verschärfenden Barbarei. Der Kunstsohriftsteller Karl Scheffler (1869 - 1951), mit dem der Lektor Tau im Bruno-Cassirer-Verlag im Arbeitszimmer saß und bis zu Schefflers Lebensende freundschaftlich verbunden war - erhaltene Briefe bezeugen es - gab damals ein Empfehlungsschreiben mit:Aus einem schö­nen und seltenen Enthusiasmus für das Echte fließt alles, was er tut; viele Dichter zweier Generationen, deutsche und ausländische, sind ihm großen Dank schuldig ge­worden". 1 Leider fiel Max Taus umfangreiche Korrespondenz der Gestapo in die Hände und dürfte verloren .sein. Im norwegischen und schwedischen Exil, dann als norwegischer Staatsbürger lebend, als Lektor arbeitend, hatte er erneut einen reichen Briefwechsel. Eine Namensliste mag andeuten, was unpubliziert archiviert ist: Gün­ther Anders, Walter A. Berendsohn, Horst Bienek, Johan Borgen, Willy Brandt, Mar­tin Buber, Max von der Grün, Felix Guggenheim, Knut Hamsun, Thomas Theodor Heine, Bohumil Janda, Walter Kahnert, Marie Luise Kaschnitz, Nikos und Eleni Ka- zantzakis, Hermann Kesten, Hans Hellmut Kirst, Wolfgang Koeppen, Siegfried Lenz, Thomas und Katia Mann, Klaus Pinkus, Pandelis Prevalkis, Luise Rinser, Nelly Sachs, Antonis Samarakis, Albert Schweitzer, Thorvald E. Stolberg, Ehe Wiesel, Hilt- gunt Zassenhausen. 2

1928 promovierte Max Tau in Kiel mit der ArbeitDer assoziative Faktor in der Landschafts- und Ortsdarstellung Theodor Fontanes". Damals schrieb er:Außer Be­tracht muß bleiben der liebenswerte Mensch, der weltkluge Denker, der weitblik- kende Historiker, der uns menschlich besonders nahesteht". 3 In einem autobiogra­phischen Buch kommt Max Tau auf die Doktorarbeit zurück.Meine Arbeit habe nichts mit dem großen Dichter Fontane zu tun, erklärte ich, sie zeige nur die Gefahren der assoziativen Darstellung und solle eine Warnung für die kommende Generation sein. Ich glaubte schon, Professor [Eugen] Wolff niemals überzeugen zu können. Aber er überraschte mich, indem er sagte: «Reichen Sie Ihre Arbeit ruhig ein. Ist sie wissenschaftlich zu verantworten, dann werde ich sie annehmen'". 4 Zwei Texte über Theodor Fontane veröffentlichte Max Tau in Norwegen. Der klei­nere Aufsatz liegt nur norwegisch vor. In ihm findet sich der Satz:Theodor Fontane kann als Symbol des Dichters angesehen werden, der über den Parteien steht und im­mer auf der Seite der Menschlichkeit und der daher Gestalten formen kann, die die Zeit überdauern." 5 Seit kurzem besitzt die Universitätsbibliothek in Oslo die bislang ungedruckte Urschrift der Einführung zur norwegischen Ausgabe derEffi Briest". Frau Tove Tau - die Witwe Max Taus - erlaubte zuvorkommend deren Abdruck in denFontane-Blättern". Friedrich Wittig sagte am 5. Dezember 1965:...und er hatte das noch größere Glück, die Norwegerin Tove Filseth zur Frau zu gewinnen. Seine Freunde wissen, was diese Fügung für die beiden Menschen bedeutet.. ." 6 Und Max Tau, von dem die Rede ist, erzählt:Tove Filseth war früher Referentin in der Nansen-Hilfe gewesen. Sie hatte Menschen aus der Tschechoslowakei und aus Po­len hierausgeschmuggelt, war beim Einrücken der Nazitruppen in Prag dabeigewesen und hatte eine Reihe von Flüchtlingen durch die Nansen-Hilfe nach Norwegen ge-

66