Der Fontane-Biograph und am bürgerlichen Humanismus orientierte spätere Regierungsrat Dr. Mario Krammer wurde am 11. 7. 1880 in Berlin geboren.
Seine Entwicklung zum Kultur- und Literaturhistoriker verlief durchaus nicht geradlinig.
Nach Beendigung der Gymnasialzeit studierte der Sohn des Kaufmanns Giovanni Krammer in Berlin und Marburg Geschichte und Rechtswissenschaft. Schon nach sechs Semestern wagte er sich in die Doktorprüfung und promovierte am 14. 2. 1903 in Berlin mit einem Thema zur Geschichte des Kurfürstenkollegiums. Als Mitarbeiter der Monumenta Germaniae Historica führten ihn wissenschaftliche Reisen nach Italien, Frankreich und Spanien. 1903 veröffentlichte Krammer seine erste rechtshistorische Schrift. Im Laufe des Jahres 1923 übernahm er die freigewordene Redaktion des .Neuen Archivs", wo er Zeit fand, seine Studien über das Kurfürstenkolleg fortzusetzen und dabei auch einen ersten Exkurs in die Geschichte der Mark Brandenburg zu unternehmen. Offensichtlich wurde er von Fontanes Auffassungen und Werk so fasziniert, daß er sich entschloß, Geistesverwandtschaft erblickend, ihm ein Buch zu widmen. Die Erben des märkischen Dichters, Theodor und Friedrich Fontane, stellten Krammer bereitwillig die Hinterlassenschaft ihres Vaters zur Verfügung. Bereits 1920 gab er aus dem Nachlaß als 3. Band der Lilien-Drucke bei der Verlagsanstalt Arthur Collignon das bekanntlich schöne Buchwerk „Theodor Fontanes engere Welt" heraus. Zwei Jahre später erfolgte die Veröffentlichung der Krammerschen Biographie „Theodor Fontane" bei Otto Holten in einem vornehmen Gewand.
Damit war der Übergang Krammers zum Kulturgeschichtsschreiber im Grunde schon vollzogen, und er hatte seine eigentliche Berufung entdeckt. Drei Jahre nach seiner Fontane-Biographie, 1925, erschien eine ähnliche Schrift Krammers, „Die Wiedergeburt durch Legarde". 1927 gab er Uhlands Gesammelte Werke heraus und plante des weiteren ein Berlin-Buch. Dieses konnte noch 1935 im Ullstein-Verlag gedruckt werden, den inhaltlichen Vorstellungen Krammers entgegenkommend, und erschien unter dem Titel „Berlin und das Reich". Indessen war es nicht mehr möglich gewesen, Moses Mendelssohn neben Lessing und Nicolai zu stellen, aber Prinz Louis Ferdinand durfte noch bei Rahel, später Varnhagens Frau, sein gerühmtes Klavierspiel erklingen lassen. Eine zweite Auflage des Buches war nicht mehr möglich und wurde von der sogenannten Reichsschrifttumskammer des Goebbelschen Propagandaapparates verhindert, zumal Krammer mit einer Ehefrau jüdischer Herkunft verheiratet war.
Dennoch führte er seine Tätigkeit fort und verstand es, sich geschickt und nicht völlig erfolglos den veränderten Bedingungen zu fügen. Immerhin konnten die von ihm herausgegebenen „Briefe der Deutschen aus einem Jahrtausend", wenngleich ohne Nennung seines Namens, lediglich mit dem Hinweis auf dem Titelblatt „Mit einer Einführung von Ina Seidel" 1943 im Reclam-Verlag erscheinen. Aber das nahm Kramrer, der den Übergang zu einem neuen Denken und Fühlen der Nation im Nationalsozialismus nicht bestätigt fand, in Kauf.
Mario Krammer, ehemals Dozent der Berliner Lessing-Hochschule, dessen letztes gro- ßes Werk die 1951 erschienene Alexander-von-Humboldt-Biographie war, verstarb am 15. 2. 1953 in Berlin-Charlottenburg.
Zum Fontane-Abend gehörte ebenfalls Dr. jur., Dr. phil. h. c. Heinrich Spiero. Das Leben dieses Fontane-Biographen war im Vergleich zu Krammer weitaus bewegter. Er widersetzte sich dem faschistischen System durch tätige Hilfe gegenüber Verfemten und Verfolgten. Spiero wurde am 24. 3.1876 in Königsberg geboren und zunächst als Lyriker und durch seine Essays bekannt. Wohl weniger mit seinen Anthologien als vielmehr mit seinen literaturhistorischen Bemühungen um verschiedene Schriftsteller, so z. B. Rudolf Lindau, Paul Heyse, Gerhart Hauptmann, Detlev von Lilien-
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