Storm-Porträt aus dem Jahre 1852 erwähnt werden, dessen Original, eine Daguerreo- typie, verschollen ist, von dem sich jedoch ein lange Zeit vergessener Lichtdruck in einem „Deutschen Dichterbuch" aus dem Jahre 1864 erhalten hat (Abb. 77).
Wer je den Versuch gemacht hat, Leben, Werk und historisches Umfeld eines Schriftstellers oder einer anderen bedeutenden Persönlichkeit in einer Bilddokumentation darzustellen (oder auch nur eine Biographie mit -historischen Bildern anzureichern), der weiß, daß es nicht immer möglich ist, Bildmaterial zu finden, das sich genau in den zeitlichen Rahmen, womöglich gar in die Chronologie einfügt. Auch Laage sah sich wiederholt diesem Dilemma gegenüber, und er hat dann, um auf ein Motiv nicht gänzlich verzichten zu müssen, sogar auf neuere und neueste Fotos zurückgegriffen, mitunter auch auf solche, die mir für eine Dokumentation zu glatt, zu „schön" oder auch wegen unverkennbar moderner Ingredienzien störend erscheinen (z. B. Abb. 21, 135, 154 oder 155). Auch eine Buchillustration aus dem Jahre 1924 (Abb. 236) oder ein Standfoto zu einer Novellenverfilmung von 1975 (Abb. 240) fallen für meinen Geschmack aus dem Rahmen, den der Herausgeber selber abgesteckt hat.
Eingeleitet wird der Bildband mit mehreren autobiographischen Skizzen und Mitteilungen Storms, unter denen sich auch bisher unbekannte Notizen befinden, die der Dichter im November 1880 für eine Lexikon-Redaktion niedergeschrieben hat. Mit dem Abdruck der sieben (aus verschiedenen Zeiten stammenden) Storm-Texte (S. 10-28) sowie einer Zeittafel am Schluß des Buches hat Laage einen Weg gefunden, dem Leser ein Höchstmaß an biographischer Information anzubieten, ohne die einzelnen Bilder lang und breit kommentieren zu müssen; die Legenden brauchen nur noch knappe sachliche Explikationen zu enthalten: ein Verfahren, das mir recht glücklich und nachahmenswert erscheint.
Laages Bilddokumentation wendet sich an einen großen Kreis von Storm-Lesern, sein Stüdien-Band dagegen an Fachkollegen und an wissenschaftlich interessierte Kenner des Stormschen CEvres. Um so bemerkenswerter ist es, daß dieses 1985 erstmals vorgelegte Buch bereits drei Jahre darauf in einer zweiten Auflage erschienen ist, ergänzt um zwei Beiträge, so daß die Sammlung, außer dem Handschriftenkatalog, jetzt sechzehn Aufsätze enthält, gegliedert in die Gruppen „Zu den Novellen", „Zu den Gedichten", „Storm und andere Dichter" und „Zur Biographie". Neu aufgenommen wurde eine Arbeit über „Theodor Storms .Neues Gespensterbuch'", ein erst Anfang 1988 entdecktes (unvollständiges) Manuskript mit 60 (von ursprünglich 71) Spuk- oder Gespenstergeschichten unterschiedlicher Provenienz, die Storm in den vierziger Jahren zusammengestellt, aber nie veröffentlicht hat. Drei dieser Geschichten haben ihm dann als Quellen für seine Spukgeschichtensammlung „Am Kamin" (1862) gedient; sie sind im Rahmen des Aufsatzes vollständig abgedruckt worden.
Die andere neu hinzugekommene Arbeit, die allerdings zuvor schon in den „Blättern der Thomas-Mann-Gesellschaft" (1983/84) gedruckt worden war, befaßt sich mit „Theodor Storm und Iwan Turgenjew in Thomas Manns Novelle ,Tonio Kröger'". Laage geht hier hauptsächlich der Frage nach, warum Thomas Mann den deutschen und den russischen Dichter zur Vatergestalt seines Titelhelden verschmolzen hat, und er beantwortet sie auf Grund seiner genauen Kenntnis des Lebens und des Werkes beider Autoren in einleuchtender Weise. — 1967 hatte Laage seine Studie über „Theodor Storm und Iwan Turgenjew" veröffentlicht und darin u. a. auch den bis dahin einzigen bekannt gewordenen Brief Storms an Turgenjew (vom 30. Mai 1868) wieder abgedruckt. Jetzt konnte er einen zweiten Brief (vom 9. Dezember 1866) publik
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