Empfänger stammt von Fulda. Die von Fulda verfaßten und in seinem Tagebuch vermerkten Briefe waren zu einem großen Teil bisher nicht aufzufinden. Der vom deutschen Faschismus in wachsendem Maße existentiell bedrohte Autor hat übrigens in seinen letzten Lebensjahren aus Rücksicht auf Familienangehörige, Freunde und Kollegen Teile seiner Korrespondenz und andere Dokumente vernichtet.
Den Hauptinhalt von Band 2 bilden 370 Seiten Amerkungen und Erläuterungen zu den 510 mitgeteilten Briefen. Erschütternd wirken die anschließend abgedruckten Selbstzeugnisse und Dokumente, besonders die Selbstdarstellungen der eigenen Assimilation, die Beteuerungen eigenen Deutschtums, auch zum Zwecke des Überlebens und schließlich der ergreifende Abschiedsbrief an seine „arische" Frau Helene unmittelbar vor dem Freitod am 30. 3. 1939. Daran schließt sich ein interessanter Editionsbericht an.
Ludwig Fulda wurde am 15. 7.1862 als Sohn eines Kaufmannes in Frankfurt/M. geboren. Einer der Großväter war 1868/69 der erste jüdische Stadtrat in der Mainmetropole. Ludwig Fulda studierte Philosophie, Philologie und Kunstgeschichte. Seine Lehrer waren Kuno Fischer, Otto Behaghel, Wilhelm Scherer und Hermann Grimm. Er promovierte über Christian Weise, entschied sich aber doch für die Laufbahn des Schriftstellers. Seit Mitte der 80er Jahre bis 1933 war er einer der am meisten gespielten deutschsprachigen Unterhaltungsdramatiker. Die Herausgeber heben besonders die in den 90er Jahren entstandenen und aufgeführten Stücke „Der Talisman" und „Die Sklavin" hervor, jenes wegen seines antiwilhelminischen Charakters, dieses als dramatischer Beitrag zur Frauenfrage. Unumstrittenere Bedeutung hat Fulda als Übersetzer Molieres und Edmond Rostands. Auch Shakespeares Sonette hat er ins Deutsche übertragen. Alfred Kerr, der den Stücken Fuldas kritisch gegenüberstand, schätzte ihn als Übersetzer Molieres. Er „gibt vorzüglich treue Übertragungen. Er stillt Molieres gerechten Anspruch, nicht von einer gleich großen Individualität verschlungen zu werden". Fulda wies dem Übersetzer, der vor allem nach „Äquivalenten" zu suchen habe, eine Mittelstellung zu zwischen produktiven und reproduktiven Künsten.
Einen wesentlichen Teil seiner Lebensleistung bildet die intensive, oft führende Mitarbeit in kulturpolitischen Organisationen, wie in der Freien Bühne oder in Schriftstellerverbänden, z. B. in dem Verband deutscher Bühnenschriftsteller. Höhepunkte von Fuldas berufs- und kulturpolitischem Engagement waren die Tätigkeit als Gründer und Präsident des deutschen PEN-Zentrums in den Jahren 1922 bis 1927 und die Wirksamkeit als Gründungsmitglied der Sektion für Dichtkunst in der Preußischen Akademie der Künste. Sein außerliterarischer Kampf galt hauptsächlich der Verbesserung der ökonomischen Situation der Autoren und der Sicherung der Freiheit der literarischen Arbeit. So war er auch 1921/22 im „Reigen"-Prozeß Sachverständiger zugunsten Arthur Schnitzlers aufgetreten. Gerhart Hauptmann notierte im Rückblick auf Fuldas Leben: „Er war ein kluger, begabter Mensch, Dichter und Übersetzer, der im deutschen literarischen Leben ideell und praktisch einen guten Einfluß ausübte" 3 . Angesichts seiner Verdienste um deutsche Literatur und Kultur traf Fulda der Ausschluß aus der Preußischen Akademie der Künste wegen seiner jüdischen Herkunft am 5. 5. 1933 besonders tief. Walter von Molo hat die Situation des plötzlich Ausgestoßenen, vom deutschen Kulturleben radikal Abgeschnittenen, in seinen Lebenserinnerungen einprägsam beschrieben: „Das Erschütterndste erlebte ich wohl bei Ludwig Fulda. Gleich nach seinem Ausschluß rief mich der alte Mann zu sich. Auf einem langen Tisch hatte er die Zeichen sämtlicher Ehrungen ausgebreitet, die ihm in seinem Leben zuteil geworden waren — und gegenüber auf einem anderen langen
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