Nun liest Günter de Bruyn aus dem Nachwort „Zum Beispiel Kossenblatt". Am Anfang steht ein Brief Fontanes an seine Frau vom 3. Mai 1862 aus Steinhöfel bei Fürstenwalde, in dem es heißt: „Kossenblatt, wiewohl eher schaurig als schön, war doch ganz famos und gibt ein vortreffliches Kapitel."
Was hier folgt, ist eine ebenfalls „famos" und „vortrefflich" zu nennende Mischung von Reportage und Essay. Nach gründlichen Recherchen und mit bewundernswerter Einfühlung schildert Günter de Bruyn Fontanes Besuch in Kossenblatt an jenem 2. Mai 1862: die zehn Kilometer lange Anfahrt von Beeskow in der Mietkutsche, das Gespräch mit Pastor Stappenbeck in der Pfarrhauslaube, den Gang mit dem Pastor über den Kirchhof in die Kirche, die Besichtigung von Herrenhaus und Barfus- schloß mit dem Amtmann (eigentlich Gutsherrn) Buchholtz, die Rückfahrt unterm abendlichen Sternenhimmel. Geschickt werden die einzelnen Episoden jeweils zum kritisch-analytischen Blick auf den Gesamtkomplex der „Wanderungen" ausgeweitet. Am Ende bekennt Fontane: Große Reisen sind anstrengend, kostspielig, demütigend; in Teupitz und Wusterhausen, in Priegnitz und Havelland ist er immer glücklich gewesen; - von solchen Spritzfahrten in die nähere Umgebung Berlins hatte er viel mehr Anregung, Vergnügen und Gesundheit. (Brief vom 4. Mai 1894 an seinen Sohn Theodor)
Im anschließenden Gespräch beantwortet Günter de Bruyn geduldig etwa ein”Dut- zend Fragen. Gleich die erste bezieht sich darauf, was man unter den „schönsten" Wanderungen verstehen soll. Er hat also die literarisch besten Texte ausgewählt und zugleich diejenigen, die für jemanden, der nicht mit der Mark vertraut ist, heute noch am lesenswertesten sind. Außerdem sollte für den „Märkischen Dichtergarten" eine möglichst eigenständige Fontane-Ausgabe geschaffen werden. Daher wurden die Textfassungen verwendet, die Fontane zuerst in Zeitungen und Zeitschriften veröffentlicht hatte. Beispielsweise ist der Bericht über die Spreewaldfahrt in der „Preußischen Zeitung" von 1859 fast viermal so lang wie der Buchtext von 1882, und vor allem ist er frischer und lebendiger. Da später auch sonst manches hübsche Detail wegfiel, erwiesen sich die Erstdrucke in den oft nur noch schwer beschaffbaren Vorlagen geradezu als Fundgrube.
Wie war es möglich, Fontane in Kossenblatt so genau nachzuempfinden? Günter de Bruyn bemerkt dazu, er habe sich selbst als Heimatforscher betätigt. Das schönste Kapitel überhaupt ist nach seiner Meinung der Text über die Fahrt zum Scharmützelsee. Aber auch der über Kossenblatt ist gut gelungen. Da er selbst dort in der Nähe zu Hause ist, wählte er dieses Dorf, und es machte ihm Freude, hier und an den anderen Orten den Dingen genauer nachzugehen ...
Welche Wanderungskapitel hat der Herausgeber nun als die „schönsten" ausgewählt? Mit fünf der insgesamt elf Kapitel wurde der Band „Spreeland" deutlich bevorzugt (Malchow, Spreewald, Königs Wusterhausen, An Bord der „Sphinx", Osterfahrt ins Land Beeskow-Storkow). Je zwei Kapitel stammen aus „Oderland" (Blumen- thal, Kossenblatt) und „Havelland" (Havelschwäne, Uetz), eins aus „Fünf Schlösser" (Kleists Grab). Hinzugefügt wurden der Aufsatz „Die Märker und die Berliner und wie sich das Berlinertum entwickelte", der 1889 in der Zeitschrift „Deutsches Wochenblatt" und erst 1907 in dem von Josef Ettlinger herausgegebenen Band „Aus dem Nachlaß von Theodor Fontane" veröffentlicht wurde sowie die Vorworte von 1861 und 1864 und das Schlußwort von 1881. Ferner enthält das Buch Anmerkungen (über 80 Seiten), eine Bibliographie, eine Aufstellung der Lebensdaten Fontanes, ein Personen- und Ortsregister und als Erstveröffentlichung auf 15 Seiten Faksimiles der Aufzeichnungen Fontanes über Schloß Kossenblatt im „Wanderungs"-Notizbuch A 13, das sich im Fontane-Archiv der Deutschen Staatsbibliothek befindet.
112