Heft 
(1990) 49
Seite
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Gerhard Friedrich: Fontanes preußische Welt. ArmeeDynastieStaat. Herford: Verlag E. S. Mittler & Sohn 1988, 487 S.

(Rez.: Helmut Richter, Leipzig)

Die Stellung des vorliegenden Buches in der Forschung und das besondere Interesse, das es erwecken muß, gründen sich auf die zunehmende Aufmerksamkeit, die nach denWanderungen durch die Mark Brandenburg" auch die Kriegsbücher Fontanes in den letzten Jahren gefunden haben - also jene etwa anderthalb Jahrzehnte seines Schaffens, die Peter Wruck 1986 als die Zeit bestimmt hatte, in der sich Fontane pro­grammatisch alsvaterländischer Schriftsteller" verstand und auch objektiv alsüber­zeugter Konservativer" und als einer derliterarischen Paladine" 1 des alten Preu­ßens anzusehen sei. Daß dieser Sachverhalt eine weitere Dimension besitzt, hatte Wruck, seit langem mit der Stellung Fontanes zu Geschichte und Gegenwart Preu­ßens beschäftigt, sohon 1983 deutlich gemacht, als er die Preußenlieder der vierziger Jahre als Beginn derPoetisierung des Preußischen" wertete,mit der er sich in be­deutungsvollen Intervallen .. . und unter mehrfach gewechselten Vorzeichen sein Leb­tag befassen und auseinandersetzen sollte" 11 . Gemessen an der jahrzehntelangen Ver­nachlässigung dieser Schaffensphase wie Schaffenselemente Fontanes, die Wruck als Nebenwirkung der Hinwendung zu dem Vormärzdichter Fontane, dem Preußen- und Sozialkritiker, dem Politiker und Journalisten auch", begründete und mit Recht alsforschungsgeschichtliches Paradoxon" und,Hindernis für das bessere Verständ­nis derMetamorphose" beklagte,die den alten, den Erzähler Fontane, auf den es am Ende ankommt, mit seiner Vergangenheit verbindet und von ihr trennt" 3 , blieb diese wachsende Aufmerksamkeit dennoch punktuell.

Gerhard Friedrich hat es nun erstmals seit Kenneth Attwoods BuchFontane und das Preußentum" (1970) unternommen, die Stellung Fontanes zu Preußen in einer um­fangreichen Arbeit zu untersuchen, die sich, wie er berichtet, aus einer von Walter Müller-Seidel angeregten Studie zu den Kriegsbüchern entwickelt hat. Daraus erklärt sich wohl auch das problematische Verfahren, Preußen fast völlig auf die Begriffsin­halte Armee, Dynastie.und Staat (bei Dominanz des Militärischen) zu reduzieren.Dar­aus", so kommentiert F. den Untertitel,möge nicht auf eine systematische Dreitei­lung geschlossen werden. Wer in Preußen von der Armee sprach, sprach immer auch von der Dynastie und dem Staat - und umgekehrt. Preußen hat sich als Militärstaat verstanden, und seine Könige zeigten sich am liebsten in Uniform. Dies eben ist die .preußische Welt', in der der Dichter lebte." (7) Ansatz seiner Arbeit - in der Konse­quenz von Wrucks Überzeugungen liegend war die bei den genannten Studien sich herausbildende Position, daß die Forschung vor allem der letzten Zeit es generell ver­säumt habe,den konservativen Zügen Fontanes nachzugehen", wofür er denZeit­geist" (9) verantwortlich macht, für den ein solches Themafast tabu" (7) war 4. Zwar finden sich", schreibt er in der Einleitung,in allen wichtigen Veröffentlichun­gen Hinweise auf den Konservatismus Fontanes und darauf, daß er von Jugend auf einen Sinn für die militärische Seite des preußischen Lebens hatte, aber diese Hin­weise sind doch fast verschämt und immer beiläufig, als handle es sich dabei um eine (mehr durch die Umstände erzwungene) Jugendsünde Fontanes, der er auch - merk­würdigerweise - in seinen Mannesjähren noch gelegentlich gefrönt habe." (9)

Bei aller berechtigten Kritik am Forschungsgegenstand: hätte sich der Verf. dazu ent­schließen können und dies wäre bei einem so anspruchsvoll und breit angelegten, umfangreichen Buch doch zu erwarten gewesen -, seine Darstellung auf einen zu-

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