'zung noch in ihren Konsequenzen reflektierte - weitestgehende Ausklammerung des erzählerischen Werks hätte F. Zurückhaltung nahelegen sollen: den Versuch zu unternehmen, eine wesentliche, erhellende „Kontinuität" bei Fontane zu bestimmen, ohne sich immer wieder an der Substanz des künstlerischen Schaffens als dem originären Zeugnis des Denkens eines Künstlers zu überprüfen, mußte fehlgehen. In ähnlicher Weise hätte ihn eine zumindest immanente Berücksichtigung des Werkes davor bewahren müssen, die „preußische Welt" Fontanes nur im Blick auf dessen Stellung zu Armee, Dynastie und Staat bewältigen zu wollen. Zu welcher Manipulation der Quellen F. sich durch seine Konzeption gezwungen sah, macht vor allem seine Abhandlung des frühen Fontane bis zum Eintritt in den Tunnel deutlich, dargestellt unter dem Titel „Fontanes Militärverbundenheit in seinen Kinder- und Jugendjahren".
Gerade von seinen Anfängen her glaubt er Fontanes „lebenslange Ausrichtung auf die preußische Geschichte" (30) nachweisen zu können, die zunächst (vor 1844) zu einer „angestauten Bilderflut" (30) führte, bis sie unter dem stimulierenden Einfluß der Militärzeit „freien Lauf" (30) erhielt. Diese Formulierung reflektiert die Einsicht, daß der Blick auf die gleichsam ,nicht angestaute Bilderflut' in Fontanes früher Lyrik — in der neuen Ausgabe des Aufbau-Verlages in schöner Vollständigkeit und sorgfältiger Kommentierung überschaubar - diese These entschieden in Frage stellen würde 7 . So kann F. auch nicht umhin, auf einige der polemisch gegen preußische Staatsraison in Vergangenheit und Gegenwart gerichtete Strophen einzugehen. Zum Kronzeugen seiner These soll angesichts dieser Lage der autobiographische Roman „Meine Kinderjahre" dienen, dessen Lektüre dem Verf. „einsichtig“ machte, „daß Fontane von seinen Kindertagen an ein Liebhaber und Bewunderer des preußischen Staates gewesen ist" (13). Auch die erneute Lektüre dieses liebenswürdigen Buches hat dem Rez. dies nicht „einsichtig" machen können: weder die von Fontane organisierten kindlich-jugendlichen Raufereien — er erwähnt vor allem „Räuber und Wandersmann" 8 —, die F. als „frühe Militärspiele (17) wertet, und die vom Vater geprägten geschichtlichen Interessen — „Ja, Napoleon und die Marschälle!" — noch gar die Faszination durch aktuelle politische Vorgänge lassen einen spezifisch preußischen Charakter erkennen: Fontane nennt Bolivar, „Held und Befreier von Südamerika", der den „meisten Eindruck" gemacht habe, später „die Befreiung Griechenlands, den russisch-türkischen Krieg, die Eroberung von Algier, die Julirevolution, die Losrei- ßung Belgiens von Holland und die große polnische Insurrektion". Wie soll man eine Interpretation bewerten, die aus alledem lediglich „Militärverbundenheit" und „kriegerischen Sinn" ablesen kann; vor allem aber daraus sofort die Thesenreihe entwickelt: „Wer die .Kinderjahre' interpretiert, muß aus Gründen der Wahrhaftigkeit der kindlichen Militärliebhaberei des .kleinen Helden' Raum geben. Fontane hatte, wie wir noch darlegen werden, eine ausgesprochene Affinität zum militärischen Geist Preußens. Und schon hier ist die Feststellung nötig, daß dieser Hinneigung zum Militärischen eine konservative Einstellung entspricht." (17) Diesen Thesen 9 folgt F. blind, wenn er Fontanes Bericht über den Einzug eines preußischen Bataillons in Swinemünde - der einzige überhaupt eine gewissen „Anteilnahme" verratende Satz dieser sehr nüchternen Passage lautet: „Wir Jungens standen am Bollwerk und staunten die schönen großen Leute an!" - als Beleg dafür nimmt, daß für den Jungen „die erste wirkliche Begegnung mit preußischen Soldaten zu einem Höhepunkt des Erlebens werden mußte" (15), und andererseits die tiefe innere Teilnahme am Freiheitskampf der Polen nach 1830 übersieht, der, wie Fontane hier bekennt, ihn noch im hohen Alter mit „unbezwingbarer Rührung" erfüllte. „Kein anderer Krieg", so Fontane, „unsere eigenen nicht ausgeschlossen, hat von meiner Phantasie je wieder so Besitz genommen wie diese Polenkämpfe." Auf ähnlichem Niveau steht Fs Argumentation für
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