Heft 
(1990) 49
Seite
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'zung noch in ihren Konsequenzen reflektierte - weitestgehende Ausklammerung des erzählerischen Werks hätte F. Zurückhaltung nahelegen sollen: den Versuch zu un­ternehmen, eine wesentliche, erhellendeKontinuität" bei Fontane zu bestimmen, ohne sich immer wieder an der Substanz des künstlerischen Schaffens als dem origi­nären Zeugnis des Denkens eines Künstlers zu überprüfen, mußte fehlgehen. In ähn­licher Weise hätte ihn eine zumindest immanente Berücksichtigung des Werkes davor bewahren müssen, diepreußische Welt" Fontanes nur im Blick auf dessen Stellung zu Armee, Dynastie und Staat bewältigen zu wollen. Zu welcher Manipulation der Quellen F. sich durch seine Konzeption gezwungen sah, macht vor allem seine Ab­handlung des frühen Fontane bis zum Eintritt in den Tunnel deutlich, dargestellt un­ter dem TitelFontanes Militärverbundenheit in seinen Kinder- und Jugendjahren".

Gerade von seinen Anfängen her glaubt er Fontaneslebenslange Ausrichtung auf die preußische Geschichte" (30) nachweisen zu können, die zunächst (vor 1844) zu einerangestauten Bilderflut" (30) führte, bis sie unter dem stimulierenden Einfluß der Militärzeitfreien Lauf" (30) erhielt. Diese Formulierung reflektiert die Einsicht, daß der Blick auf die gleichsam ,nicht angestaute Bilderflut' in Fontanes früher Ly­rik in der neuen Ausgabe des Aufbau-Verlages in schöner Vollständigkeit und sorg­fältiger Kommentierung überschaubar - diese These entschieden in Frage stellen würde 7 . So kann F. auch nicht umhin, auf einige der polemisch gegen preußische Staatsraison in Vergangenheit und Gegenwart gerichtete Strophen einzugehen. Zum Kronzeugen seiner These soll angesichts dieser Lage der autobiographische Roman Meine Kinderjahre" dienen, dessen Lektüre dem Verf.einsichtig machte,daß Fon­tane von seinen Kindertagen an ein Liebhaber und Bewunderer des preußischen Staa­tes gewesen ist" (13). Auch die erneute Lektüre dieses liebenswürdigen Buches hat dem Rez. dies nichteinsichtig" machen können: weder die von Fontane organisierten kindlich-jugendlichen Raufereien er erwähnt vor allemRäuber und Wanders­mann" 8, die F. alsfrühe Militärspiele (17) wertet, und die vom Vater geprägten geschichtlichen InteressenJa, Napoleon und die Marschälle!" noch gar die Faszination durch aktuelle politische Vorgänge lassen einen spezifisch preußischen Charakter erkennen: Fontane nennt Bolivar,Held und Befreier von Südamerika", der denmeisten Eindruck" gemacht habe, späterdie Befreiung Griechenlands, den russisch-türkischen Krieg, die Eroberung von Algier, die Julirevolution, die Losrei- ßung Belgiens von Holland und die große polnische Insurrektion". Wie soll man eine Interpretation bewerten, die aus alledem lediglichMilitärverbundenheit" und kriegerischen Sinn" ablesen kann; vor allem aber daraus sofort die Thesenreihe ent­wickelt:Wer die .Kinderjahre' interpretiert, muß aus Gründen der Wahrhaftigkeit der kindlichen Militärliebhaberei des .kleinen Helden' Raum geben. Fontane hatte, wie wir noch darlegen werden, eine ausgesprochene Affinität zum militärischen Geist Preußens. Und schon hier ist die Feststellung nötig, daß dieser Hinneigung zum Militärischen eine konservative Einstellung entspricht." (17) Diesen Thesen 9 folgt F. blind, wenn er Fontanes Bericht über den Einzug eines preußischen Bataillons in Swinemünde - der einzige überhaupt eine gewissenAnteilnahme" verratende Satz dieser sehr nüchternen Passage lautet:Wir Jungens standen am Bollwerk und staun­ten die schönen großen Leute an!" - als Beleg dafür nimmt, daß für den Jungendie erste wirkliche Begegnung mit preußischen Soldaten zu einem Höhepunkt des Erle­bens werden mußte" (15), und andererseits die tiefe innere Teilnahme am Freiheits­kampf der Polen nach 1830 übersieht, der, wie Fontane hier bekennt, ihn noch im ho­hen Alter mitunbezwingbarer Rührung" erfüllte.Kein anderer Krieg", so Fontane, unsere eigenen nicht ausgeschlossen, hat von meiner Phantasie je wieder so Besitz ge­nommen wie diese Polenkämpfe." Auf ähnlichem Niveau steht Fs Argumentation für

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