die frühen vierziger Jahre, wo er als einzigen Beleg für Fontanes „Begeisterung für preußische Schlachten" (19) dessen Interesse am Schauplatz der Völkerschlacht anführt und deren Charakter als Koalitionskrieg ebenso verdrängt wie die oppositionelle Funktion dieser Erinnerung im Vormärz, die „preußische Triumphgefühle" (21) fast a priori ausschloß, was Fontanes Lyrik der Leipziger Zeit nachdrücklich belegt. Dazu paßt, daß auch die im einschlägigen Kontext stehenden bitteren Worte, die Fontane noch im Frühsommer 1844 über die Unmöglichkeit eines preußischen Nationalstolzes in sein England-Tagebuch notiert, keine Erwähnung finden: „Der alte Fritz wiegt schwer, aber er wiegt nicht die ganze glorreiche Geschichte eines Volkes von Männern auf. Dafür aber haben wir die Ehre, der französischen Revolution den Krieg erklärt... zu haben .. ," 19
Diese Art der Begründung „preußischer Geschichtsseligkeit" - daß Fontane sich in den vierziger Jahren zu einem exzellenten Kenner preußischer Geschichte entwik- kelte, steht auf einem anderen Blatt - verweist auf die grundsätzliche Problematik, daß F. das oppositionell-gesellschaftskritische Element Fontanes nirgends konzeptionell zu erfassen, geschweige in der geschichtlichen Bedingtheit seiner qualitativ und quantitativ so unterschiedlichen Ausprägung in der Entwicklung des Autors zu verfolgen bereit ist. Gegenüber dem als grundlegend betrachteten preußisch-konservativen Grundzug erscheint es punktuell und temporär, als episodische Aufnahme von Zeitstimmung und als Ergebnis einzelner negativer Beobachtungen, die durch persönliche Probleme (um 1848/49) und Enttäuschungen (vor allem über die Gleichgültigkeit Wilhelms I. gegenüber „Der Krieg gegen Frankreich") gefördert und radikali- siert wurden. Daß es auch dort eine „Kontinuität" von Positionen gibt, wird kaum deutlich, so daß es kein Zufall ist, daß das Kapitel „Fontane und die Sozialdemokratie" für die hoffnungsvolle Aufgeschlossenheit, mit der Fontane vor allem den geistig-moralischen Aufbruch der Arbeiterbewegung verfolgte, und deren künstlerische Konsequenzen, die beide Fontane eine einzigartige Stellung unter den Künstlern seiner Generation gaben, kein gemäßes Wort hat. Ihm geht es ausschließlich um die Herausstellung prinzipieller Abgrenzungen und der tiefen inneren Fremdheit Fontanes gegenüber dieser Partei, wobei F„ auch hier den Forschungsstand souverän ignorierend, immer wieder mit großem Anlauf offene Türen einrennt. Unverständlich müssen deshalb wiederholte Feststellungen des Sinnes wirken, daß Fontanes „Abkehr von den oberen Zehntausend" und die „Hinwendung zum Volk" wirklich „nichts mit sozialistischer Gleichmacherei zu tun habe" und daß er „nicht auf Beteiligung am sozialdemokratischen Klassenkampf" drängte oder sich zu einem „marxistischen Klassenbewußtsein" (331) bekehrte. Zur Erhärtung solcher Allgemeinplätze hätte es der Entstellung wichtiger Texte durch demagogische Interpretation (vgl. etwa S. 332) oder der Unterschlagung nicht bedurft, wie sie in der Betrachtung des vielzitierten Briefs an James Morris vom 22. 2. 1896 zu beobachten ist. Mit seltsamer Ahnungslosigkeit fragt sich F., „was der Anlaß zu diesem plötzlichen Ausbruch gewesen sei" (328), eben der Feststellung, alles Interesse ruhe beim vierten Stand und bei ihm beginne die „neue, bessere Welt". Und F. orakelt: „Vermutlich nicht mehr und nicht weniger, als daß er sich über eine Nummer der Times geärgert hatte, weil sie langweilig war und ihm dabei auffiel, daß die Zeitung seit Jahren nichts mehr für ihre Aufmachung getan hatte." (328) Unterschlagen wird, daß Fontane sich in diesem Brief ausdrücklich und wiederholt bedankte für die Übersendung der Zeitschrift der schottischen Arbeiterpartei, herausgegeben seit 1887 von dem im Brief genannten James Keir Hardie, der sich vom Bergarbeiter zum angesehenen Publizisten und führenden Politiker emporgearbeitet hatte. In diesem Kontext macht gerade das Wort
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