Heft 
(2023) 115
Seite
161
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Effi Briest-Handbuch  Hehle 161 Kap. 23 verwundert es beispielsweise, wenn im folgenden Kap. 24,»Ehe, Erotik und Sexualität« die Innstettensche Ehe plötzlich schlagwortartig (und unzutreffend) als»gutbürgerliche« Ehe bezeichnet wird(S. 162). Die 13 Kapitel des V. Teils, Theoretische Zugänge, geben einen guten Ein­blick in die Vielzahl von Methoden, die für die Interpretation von Effi Briest bzw. bestimmter Aspekte des Romans fruchtbar gemacht werden können, und veranschaulichen sie jeweils an Interpretationsbeispielen. Auch hier hät­te man manche Kapitel verschmelzen können, etwa den Nachdruck von Jür­gen Wertheimers Aufsatz von 1996, Effis Zittern(Kap. 35), mit dem Kapitel über Emotionsforschung. Ob»Hermeneutik« sich für ein Kapitel neben spezi­eller gefassten Kapiteln wie»Konstruktivismus und Dekonstruktion«,»Dis­kursanalyse«,»Gender Studies« oder»Psychoanalyse« anbietet, ließe sich diskutieren. Im Ganzen liest man Teil V in Bezug auf Effi Briest jedoch mit Gewinn, wobei ich besonders Kap. 36(»Erzähltheorie/Narratologie«, Micha­el Scheffel), Kap. 40(»Erinnerungs- und Gedächtnistheorien«, Anna Braun) und Kap. 42(»Diskursanalyse«, Helmut Grugger) hervorheben möchte. Die von Cord Beintmann erstellte Zeittafel im Anhang beginnt mit dem 14. Oktober 1806, dem Tag der Schlacht bei Jena; begründet wird diese Wahl mit der Handlungszeit der Novelle Schach von Wuthenow. Im Folgenden werden biobibliografische Daten zu Fontane in Zusammenschau mit Ereig­nissen der politischen Geschichte Deutschlands aufgeführt. Nach Fontanes Tod 1898 erscheinen noch 1902, das Todesjahr Emilie Fontanes, und 1906 als Jahr der Erstpublikation von Mathilde Möhring. Die Zusammenstellung bie­tet eine informative Übersicht, auch wenn die Auswahl der Einträge etwas willkürlich oder doch diskutabel anmutet: Wenn man nicht mit Fontanes Geburt anfängt, sondern mit einem Datum, das in seinem erzählerischen Werk aufgegriffen wird, warum beginnt man dann mit der Handlungszeit von Schach von Wuthenow, nicht aber mit jener von Grete Minde oder El­lernklipp? Würde sich nicht ein etwas weiterer(europäischer) Horizont an­bieten und neben den Kriegen von 1864, 1866 und 1870/71 auch der Krim­krieg eine Erwähnung verdienen? *** Es ist unübersehbar, dass wir in einer Zeit der Handbücher, Editionen und Kompendien leben. Dass wir bereits früher generiertes Wissen zusammen­stellen, aufbereiten, unter immer anderen Perspektiven neu strukturieren und in immer neuen Formaten zur Verfügung stellen, verbindet unsere Zeit mit Epochen eifriger gelehrter Sammlungs- und Kommentierungstätigkeit wie dem Hellenismus oder dem 19. Jahrhundert, Fontanes Epoche. Vor die­sem Hintergrund ist es nicht überraschend, dass es neben nunmehr zwei Fontane-Handbüchern jetzt auch ein Effi Briest- Handbuch gibt. Zudem hat sich der Verlag Metzler in den letzten Jahrzehnten mit der Entwicklung und