Heft 
(2023) 115
Seite
168
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168 Fontane Blätter 115 Rezensionen der in Situationen der Wahl gebracht werden, unablässig wählen und hier­durch ihrer Freiheit als subjektivem Handlungsspielraum Ausdruck verleihen müssen.«(S. 78) Dabei täuschten sich die Figuren, etwa in Graf Petöfy,»permanent über ihre Handlungsspielräume und Freiheitsgefühle« (S. 71), was bekanntlich oft zu unglücklichem Ausgang führt. Freiheits- und Herzensdiskurs werden zuletzt zusammengeführt:»In Freiheit ist es das Herz, das einem Lebendigkeit und Selbstgefühl gewährt und das obendrein zur Orientierung dient, indem es stets das Augenmaß bewahrt und die rech­te Wahl treffen lässt.«(S. 83) Die Frage nach der rechten Wahl stellt sich auch in Anbetracht des bis­her deutlich hervorgekehrten Widerständigen an Fontane, das im Beitrag von Baptiste Baumann und Jana Kittelmann zu Fontanes Rezeption der ­patriotischen Liedkultur der Aufklärung ebenfalls als Annäherungsher­aus­forderung gegeben ist. Patriotismus und Krieg sind Themen, die dazu bei­tragen können, den Weg zu Fontane nicht mehr zu finden, dessen »schriftstellerische Karriere« mit»der Hinwendung zur friderizianischen Zeit, zur preußischen Aufklärung« und ihren Männern und Helden beginnt, denen der Dichter»zeitlebens verbunden bleibt.«(S. 124) Da wirkt es beruhi­gend, dass die Verfasser in einer Gegenüberstellung von Fontanes patrioti­scher Lyrik mit der begeisterten Kriegslyrik eines Gleim betonen, dass Fon­tane auf die verstörende»aggressive und brutale Rhetorik«, wie sie in den Kriegsliedern Gleims oft zu finden ist,»weitgehend verzichtet.«(S. 131) Fon­tanes patriotischer Lyrik wird das»doppelte Bestreben« bescheinigt,»ei­nerseits Vorbilder der Nation zu charakterisieren und andererseits bemer­kenswerte Einzelschicksale, ausgezeichnete Tugenden und Persönlichkeiten wiederzugeben, mit anderen Worten also beides zu beschreiben: Helden und Männer.«(S. 133) Das Ziel bleibt allerdings moralisch zweifelhaft, näm­lich»in spielerischer und sinnlicher Art und Weise einen populären Zugang zur Welt des Krieges und des Militärs zu schaffen[.]«(S. 133) Hervorzuheben und zugleich ein wenig zu bemängeln ist an diesem Beitrag die ihren Gegen­ständen nicht ganz gerecht werdende Arbeit an den Gedichten(vgl. S. 142 f.). Diese würden ihre»blutrünstige Begeisterung und Brutalität« häufig»mit einer anakreontischen Bildsprache und Motiven wie dem Weintrinken« (S. 136) vermischen, was Baumann und Kittelmann auf die aus der Gleim­Forschung übernommene Formel des anakreontischen Grenadiers bringen und in Einzeluntersuchungen nachweisen, die den erbaulichen Beleg für kriegskritische Töne bei Fontane geben, wenn etwa dem heroisch voran­stürmenden und dann von Feindeskugeln zerfetzten Schwerin die zerschos­sene Fahne des Patriotismus als»Bahrtuch« dienen muss(vgl. S. 144). Bei Fontane würden demnach kriegskritische»Affekte, Gefühle und Emotionen [] einen Raum« erhalten,»den sie in dieser Form bei Gleim und anderen Kriegsliedern der Aufklärung nicht haben.«(S. 144) Zu beanstanden ist an diesem insgesamt überzeugenden Aufsatz allerdings, dass hier bei aller