Fontanes Briefe an Paul Linsemann Möller 29 nichts erzählt, antwortet Linsemann:»Die spielte ja lange vor unserer Verheiratung. Und dann glaubte ich schon, der Staatsanwalt habe mich vergessen.« 49 Auch das Schreiben, das Fontane am 3. Januar 1897 an Linsemann in Magdeburg richtete(s. Brief 3), wird in seiner Erzählung zitiert:»›Aus jeder Extrasituation muß man zu profitieren suchen.‹ Diese Worte standen in einem Briefe, den der verehrte Meister T h e o d o r F o n t a n e mir nach Neuenberg schrieb.« 50 Über die Haftursache heißt es in der Humoreske: Mein ganzes Verbrechen bestand darin, daß ich in einen Ehrenhandel meine Hilfe als Kartellträger lieh. Das ist ein Freundschaftsdienst, den man ebensowenig abschlagen kann, wie eine Aufforderung zum Skat. Zu gewissen Opfern in der Freundschaft muß man immer bereit sein. 51 Sich zu duellieren, sei eigentlich»ein Blödsinn« 52 , trotzdem ließe es sich nicht immer vermeiden. Linsemann gehörte 1902 zu den Mitbegründern der Gesellschaft für Theatergeschichte und 1903 zu den Mitunterzeichnern einer Petition gegen den§ 175 des Reichsstrafgesetzbuches. 53 Er rezensierte Fontanes Erinnerungen Von Zwanzig bis Dreißig und seinen Stechlin in der Wiener Zeitung Die Zeit. In seiner Rezension über den Stechlin hat Linsemann Fontanes Brief vom 17. August 1898 ausführlich zitiert und hinzugefügt, er hoffe »noch immer auf eine völlige Eroberung der Donaustadt durch unseren Poeten.« 54 Diese Replik auf seinen letzten Brief an Linsemann hat Fontane nicht mehr erhalten. Das Geleitwort zu Linsemanns»kritischer Umschau« Die Theaterstadt Berlin verfasste der zehn Jahre ältere Maximilian Harden , der früher selbst als Schauspieler auf der Bühne gestanden und als Theaterkritiker gearbeitet hatte, bevor er mit der von ihm seit 1892 redigierten Zukunft zu einem der wichtigsten politischen Journalisten des Kaiserreichs wurde. An den Beginn der Bekanntschaft erinnernd, schrieb Harden in der auf»Berlin , 11. Juni 1897« datierten Einleitung zu Linsemanns Streitschrift: Gar so lange ists ja nicht her, sechs, sieben Jahre ungefähr, nicht wahr? Sie waren noch sehr jung, hatten noch keinen modernen Scheitel und kein Monocle. Ein ziemlich zarter, hellblonder Herr, schüchtern und ernst und oft recht aufgeregt. Ich glaube, Sie»plauderten« damals in irgend einem der vielen Blätter, die seitdem unselig entschlummert sind. Es lag gewiß nicht an Ihnen, daß dieses Blatt welkte, denn Sie plauderten sicher sehr anmuthig und unterhaltsam; zwar habe ich von diesem Geplauder nie eine Silbe gelesen, aber ich denke mir, daß es hübsch war und lebhaft und warm, weil es meist doch jedenfalls dem einen großen Gegenstande galt, der allein Ihnen des Schweißes der Edlen werth schien: dem Theater. Und über die Dinge, die seinem Herzen am Nächsten liegen, plaudert schließlich Jeder ganz gut. Erinnern Sie sich der Zeit noch? Es war im Café Schiller, wo ich seit manchem Jahre täglich die Blätter lese – ich würde lieber sagen: ablause, wenn dieser ekle Aus-
Heft  
(2023) 116
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29
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