Heft 
(2023) 116
Seite
73
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Kriegsgefangen in der Übersetzung von Jean Thorel  Anke 73 essen konnte, wobei er sich in der Gemütsverfassung eines Hamlet be­fand, der vor allem den Entzug von gutem Bier bedauern würde. 49 Das gleiche Bild greift Paul Ginisty auch in seinen anderen Artikeln auf, die in der getarnten Form der Lobrede auf die französische Großherzigkeit im­mer wieder Fontanes Gefängnisalltag karikieren. Die Polemik gegen die schlechte Behandlung von Kriegsgefangenen wird einige Jahre später im Kontext des Ersten Weltkrieges wieder aktualisiert. Dem französischen Re­zensenten G. Lenotre bietet Kriegsgefangen erneut Anlass zu vergleichen­den Betrachtungen sowie zu einer ähnlich überspitzten Darstellung des Aufenthalts auf Oléron: Alle seine Mitgefangenen, ob badisch oder preußisch, wurden ebenso rücksichtsvoll behandelt. Sie trafen sich im Depot von Oléron so oft sie wollten, tranken zusammen Tee oder Kaffee, lasen Zeitung, zündeten an Festtagen Lichter, lachten, sangen, waren glücklich wie nie zuvor. Indem es diese ausländischen Soldaten so großzügig aufnahm, legte das arme, verzweifelte Frankreich indes noch immer die Koketterie einer besieg­ten Nation zutage. 50 Offensichtlich verleitete der erneute Kriegskontext den Rezensenten dazu, die Souvenirs ideologisch zu instrumentalisieren. Die national aufgelade­nen Spannungen lassen sich aus den überzogenen Darstellungen in Fonta­nes Oléron-Aufenthalt regelrecht herausdestillieren. In den zitierten Bei­spielen speisen sich die karikierenden Darstellungen aus den Mahlzeiten, die Fontane in Kriegsgefangen erwähnt, obwohl Thorel diese insgesamt nur mit approximativer Detailtreue übersetzt. 51 In diesem Zusammenhang lohnt sich ein kurzer Zeitsprung ins 20. Jahrhundert: 1986 erscheint bei einem kleinen Straßburger Verlagshaus eine Neuauf­lage der Souvenirs unter dem veränderten Titel Journal de captivité. De Domrémy à lîle dOléron. Voyage dans la France de 1870 52 , wobei sich der Akzent auf die Reise(»voyage«) verschiebt. Die Ausgabe ist mit einem neuen Vorwort von Alain Garric 53 versehen, die Übersetzung von 1892 wird je­doch unrevidiert und nach wie vor in lückenhaftem Zustand übernommen. Die Neuauflage erweist sich als editorischer Flop, das Presseecho bleibt aus, von einer Rezeption kann kaum die Rede sein. Alain Garrics Autorpor­trät ist konfus, wirr und burlesk seinen Fontane hätte er ebenso dem Figu­renpersonal einer Komödie von Molière entlehnen können, wobei der durchgehend spöttisch-herabsetzende Ton dem Leser einen wenig schmei­chelhaften Gesamteindruck von Fontanes Werk vermittelt. Dem Motiv der guten Behandlung des Kriegsgefangenen wird durch eine zeitgemäße Tou­rismus-Metaphorik neue Würze verliehen: In Kriegsgefangen lobe Fontane die Administration,»wie ein touristischer Führer Gourmet-Restaurants und sauber gehaltene Hotels loben würde«. 54 Der Rang eines»officier su­périeur« verleihe ihm neue»Privilegien«, und zwar:»knisternde Kamine,