Heft 
(2023) 116
Seite
77
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Kriegsgefangen in der Übersetzung von Jean Thorel  Anke 77 Übersetzen, Platzmangel, Vorschriften des Verlegers oder andere pragma­tische Faktoren könnten erklären, warum er die Erzählzeit rafft: Sowohl auf der Fähre(Kapitel»Abschied«) als auch in der Postkutsche(»Rückreise«) überspringt, umschreibt und resümiert Thorel den Text hastig und unge­nau. So bewährt sich der auf zwei Räder montierte Übersetzer-Kasten am Ende doch, wobei selbst Fontanes Eloge der»brillant« fahrenden französi­schen Kutscher auf der Strecke bleibt; nichts liest man davon in der Über­setzung. In der Eile wird auch Fontanes letzte Bitte an den Verkäufer einer »Reiseeffektenhandlung« missverstanden: Dann überreichte ich den Kattunsack mit der Bitte, diese blaue Trophäe zur Erinnerung an einen preußischen prisonnier de guerre aufbewah­ren zu wollen.(F 224) Je remis alors au marchand le sac de cotonnade, en le priant de vouloir bien le conserver pour le remettre, à loccasion, à un prisonnier de guerre prussien.(T 257) Die Abgabe der blauen Reisetasche symbolisiert laut Jan Röhnert die litera­rische Befreiung aus der Romantik. In das Objekt das Geschenk des ihm treu ergebenen Mitgefangenen Rasumofksy hat Fontane also mehrere Be­deutungen eingewoben. Doch ohne große Überraschung entlastet Thorel die Tasche ihres Trophäen-Status: Fontane übergab dem Händler»darauf­hin den Baumwollsack und bat ihn, ihn aufzubewahren, um ihn bei Gele­genheit einem preußischen Kriegsgefangenen zu geben.« In den Souvenirs soll die Tasche also nicht als»Souvenir« an einen preußischen Kriegsgefan­genen aufbewahrt, sondern in preußische Hände zurückgegeben werden. Im Fremdenzimmer der Übersetzung hinterlässt Fontane nichts, schon gar nicht preußische Trophäen. Übersetzungsirrtum hin oder her die Tasche ist im Original wie in der Übersetzung bedeutungsschwer. Fazit Nicht zuletzt stecken im blauen Kattunsack Fragen, die sich jeder Überset­zende und jeder Übersetzungsforschende irgendwann einmal stellt: Was bewahrt man in der Übersetzung? Was verliert man auf dem Weg von ei­ner Sprache zur anderen und was muss zwangsläufig geopfert werden? Was wird bei- und was vorbehalten; wie ›sitzt‹ die andere Sprache auf dem Text? Hat sie die gleichen Falten, Taschen, Einfärbungen, schmiegt sie sich genauso harmonisch an den fremden Textkörper oder deckt sie bloß seinen Sinn ab? Wie wirkt sich die Subjektivität, der kulturelle Hintergrund(frz. »bagage culturel«,»kulturelles Gepäck«) des Übersetzers bzw. der Über­setzerin auf die Übersetzung aus und was enthält sein sprachlich-kulturel­ler Werkzeugkasten, den er auf seiner Sprachreise mit sich führt? Führt er den Schriftsteller zum Leser, den Leser zum Schriftsteller oder führt er sie