78 Fontane Blätter 116 Literaturgeschichtliches, Interpretationen, Kontexte auf halber Strecke zusammen? Das übersetzerische Metaphern-Arsenal ist so groß wie bunt. – Windmühlen, Gästezimmer, Kattunsäcke: Auch diese Untersuchung hat vieles metaphorisch und poetisch gedeutet und in Ermangelung weiterer Quellen zu Jean Thorels Übersetzung Hypothesen aufgeworfen. Die ethnozentrischen Tendenzen der ersten französischen Übersetzung Fontanes fügen sich in den Kontext des 19. Jahrhunderts ein, in dem die Herausbildung nationaler Identitäten von der Dialektik zwischen ›Fremd‹ und ›Eigen‹ bestimmt wird. Ohne in Dichotomien denken zu wollen oder Thorels Leistung ausschließlich negativ darzustellen, scheint seine Übersetzung vor allem darauf abzuzielen, seinem französischen Lesepublikum die Lektüre zugänglich zu machen und zu erleichtern. In der Terminologie Schleiermachers bewegt Thorel Schriftsteller und Leser aufeinander zu, bleibt dabei aber auf französischem Boden. Womöglich sind es gerade die außergewöhnliche Unparteilichkeit und das positive Franzosenbild, das Kriegsgefangen vor umfangreicheren Eingriffen gerettet hat. Dass die Souvenirs lückenhaft sind, stilistisch nicht immer den Ton treffen und den Rhythmus des Textes malträtieren, ist für die Epoche nicht ungewöhnlich, fordert aber zu neuen Übersetzungsinitiativen heraus. Ironischerweise trifft Fontanes Titelcharakterisierung die gesamte Übersetzung in Form und Inhalt erstaunlich genau: Sie ist»etwas abweichend«.
Heft
(2023) 116
Seite
78
Einzelbild herunterladen
verfügbare Breiten