Heft 
(2023) 116
Seite
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Georg Friedlaenders Aus den Kriegstagen 1870 D'Aprile 91 Auch zahlreiche Einheimische waren gekommen, wobei laut Friedlaenders Bericht eine Mischung aus Neugier und Interesse vorherrschte: Spandau aber staunte; denn wo sonst der feste Tritt strammer Gardis­ten ertönte, wo Alles den gutpreußischen Drill verräth, ging nun ein Zug bunter und schwarzer Gesellen; statt der lauten Kommißstiefel leise Gamaschenschuhe, weite weiße Pluderhosen, breite rothe Gürtelbin­den, hellblaue Schnürenjacken, und anstatt der Pickelhaube der Turban oder Fez auf dem Kopf. Das war nicht nur in der märkischen Havelfeste, das war überall in Deutschland neu! 18 Neben anderen machte sich auch der berühmte Berliner Kunstprofessor Adolph Menzel sofort auf den Weg nach Spandau, um einige der Gefange­nen zu skizzieren. Erst nach Intervention Friedlaenders, der Menzel per­sönlich kannte, wurde der auf eigene Faust und ohne Auftrag angereiste Künstler von den Wachen vorgelassen. 19 Ohne den ungewöhnlichen Lager­aufseher Friedlaender gäbe es auch Menzels außergewöhnliche Skizzen aus dessen Innenraum nicht. Menzel stellte sich dabei nach Friedlaender weit­aus geschickter an als die offiziellen Kriegsfotografen, die vor allem das Misstrauen der Gefangenen weckten, die sich von diesen zum Schauobjekt degradiert sahen. Menzel dagegen habe seine Skizzen so unauffällig ange­fertigt, dass die Gefangenen dies nicht einmal gemerkt hätten:»wie spähten die leuchtenden Künstleraugen umher und wie schnell, mit wenigen Stri­chen, entstanden die charakteristischen Skizzen, ohne daß die Originale es recht gewahr wurden.« 20 Wahrscheinlich half Menzel dabei auch seine Kleinwüchsigkeit er war bekanntlich nur knapp 1 Meter 40 groß. 21 Selbst in ihrem unfertigen Entwurfscharakter vermitteln Menzels Skizzen und Gemäldeentwürfe einen deutlich realistischeren Eindruck als die propa­gandistischen Druckgrafiken, die kurz darauf in der auflagenstärksten Fa­milienzeitschrift Die Gartenlaube erschienen sind. 22 Der Verbleib der offizi­ellen Spandauer Fotografien wäre zu ermitteln. Zumindest wissen wir durch Friedlaender, dass sie existiert haben. Adolph Menzel: Französische Kriegsgefangene, Skizze 1870/71, Berlin, Kupferstichkabinett(Skizzenbuch 34, S. 11–12)