Fontane und der»Bruderzwist im Hause Mann« Erler 139 Die Manns und die Nazis, die Brüder im Exil Thomas und Heinrich Mann sind sich – bei aller Gegensätzlichkeit – einig im Widerstand gegen den drohenden Faschismus, wobei Heinrich ohne Zweifel der weitsichtigere und der aktivere ist, der sich nicht bloß am Schreibtisch, sondern auch praktisch-organisatorisch ständig engagiert. So übernimmt er 1931 – gegen den ausdrücklichen Rat von Thomas – das einflussreiche Amt des Präsidenten der Sektion für Dichtkunst in der Preußischen Akademie der Künste. Er habe, bekannte Heinrich Mann, bis zum Schluss alles versucht, um die Nazis aufzuhalten. Doch seit dem 30. Januar 1933 ist Hitler Reichskanzler, und am 15. Februar 1933 wird Heinrich Mann, zusammen mit Käthe Kollwitz, unter skandalösen Umständen aus der Akademie ausgeschlossen. Fünf Tage später empfiehlt der Völkische Beobachter unter dem Titel»Auch ein Heinrich, vor dem uns graut«,»den nicht genehmen Dichterpräsidenten nunmehr auch plump körperlich an die Luft zu befördern«. Am 21. Februar fährt Heinrich Mann, dessen Berliner Wohnung bereits überwacht wird, mit einem kleinen Handkoffer ausgerüstet, nach Straßburg. Bereits am 11. Februar ist Bruder Thomas nach Amsterdam zu einem Wagner-Vortrag gereist, ohne zu ahnen, dass die Reise ins Exil führt. Die Jahre bis 1936 machen die unterschiedlichen Haltungen von Heinrich und Thomas Mann erneut deutlich. Thomas, obwohl von untadeliger antifaschistischer Gesinnung, verhält sich abwartend und sucht den offiziellen Bruch zunächst zu vermeiden. Er kehrt zwar nicht nach Deutschland zurück, wohnt und arbeitet in der Schweiz, ist vielerorts mit Vorträgen und Lesungen unterwegs. Aber er unternimmt auch nichts gegen die Nazis. Im Gegenteil: Er zieht demonstrativ seine Bereitschaft zurück, an Klaus Manns profiliert antifaschistischer Zeitschrift Die Sammlung in Amsterdam mitzuarbeiten – das Patronat des Blattes hatte unter anderem Heinrich Mann! Bekanntlich hat Thomas Mann erst zu Neujahr 1937 in seinem»Brief nach Bonn« mit Nazideutschland gebrochen, beeindruckt vom Vorbild Heinrichs und gedrängt vom Sohn Klaus.»Sein Gewissen hatte einen schweren Weg, bis es gegen sein Land entschied«, sollte Heinrich Mann später in seiner Autobiographie brüderlich-freundlich resümieren:»Seine Natur war es, zu repräsentieren. Nicht, zu verwerfen.« In ebenjener Zeit verhält sich Heinrich Mann völlig anders. Er ist aus Berlin geflohen und steht auf der ersten Ausbürgerungsliste. Für ihn gibt es keinen Zweifel in dieser verzweifelten Situation. Er empfindet das Exil von Anfang an als politisch-moralische Aufgabe, der er sich mit allen Kräften eines Mittsechzigers stellt. Er erklärt:»Humanisten taugen erst dann etwas, wenn sie, anstatt nur zu denken, auch zuschlagen.« In diesem Sinne schreibt er in jenen Jahren das wunderbare Epos um den guten französischen König Henri – ein Gegenbild zum verbrecherischen Nazi-Führer in
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(2023) 116
Seite
139
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