Heft 
(2023) 116
Seite
140
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140 Fontane Blätter 116 Freie Formen Berlin, und er verfasst an die 400 Aufsätze, Aufrufe, Flugblätter und Radio­sendungen. Wenn man zu dieser umfangreichen publizistischen Leistung die Vielzahl der praktischen Aktivitäten hinzurechnet, kann man nur mit höchster Bewunderung vom Arbeitspensum und vom Arbeitsethos dieses alternden Mannes reden. Exkurs: Ein Fontane-Forscher als Exil-Verleger Die Gelegenheit ist günstig: Ich möchte Sie an dieser Stelle mit einem Weg­begleiter der Manns in den dreißiger Jahren näher bekanntmachen, der aus dem wissenschaftlichen Umfeld Theodor Fontanes stammt. Inmitten der turbulenten Exilsituation sowie des drohenden Krieges organisiert näm­lich ein passionierter Büchermacher an der Keizersgracht in Amsterdam unverdrossen Produktion, Vertrieb und sehr wichtig Honorierung neuer Manuskripte exilierter deutscher Schriftsteller. Der portugiesischstämmi­ge Amsterdamer Verleger Emanuel Querido gliedert seinem holländischen Haus 1933 demonstrativ eine deutschsprachige Abteilung an und überträgt die Leitung dem ehemaligen Kiepenheuer-Mitinhaber Fritz Helmut Lands­hoff. Ich gebe ein paar wenige Stichworte für die Ära Landshoff bei Gustav Kiepenheuer in Potsdam und Berlin bis 1933: Als ich Landshoff 1982 kennenlerne, ist er Anfang achtzig und sagt, ohne zu stocken, noch immer die ersten anderthalb Seiten von Arnold Zweigs Roman Der Streit um den Sergeanten Grischa auf, den er 1927 bei Kiepenheuer gedruckt hat, und er erzählt stolz von Joseph Roths Radetzky­marsch, den er 1932 dort verlegt hat. Er druckt 1928 Seghers, als in der Öf­fentlichkeit noch völlig unklar ist, wer sich hinter diesem Pseudonym ver­birgt. Er erinnert sich augenzwinkernd an Heinrich Manns Die große Sache, die kein Erfolg war, und an Erfolg von Lion Feuchtwanger, der(da­mals) keine große Sache war. Er druckt im Januar 1933 je 50 000 Exemplare von Karl Marx, Das Kapital, Band 1, und von Sigmund Freud, Einführung in die Psychoanalyse. Es ist nicht verwunderlich, dass in den Korrespondenzen(und in den Hoffnungen) zahlreicher Exilschriftsteller nach 1933 Landshoffs Name sehr häufig auftaucht: Bei Arnold Zweig und Lion Feuchtwanger, bei Leon­hard und Bruno Frank, bei Vicky Baum und Anna Seghers, bei Döblin und Roth und nicht zu vergessen beim Ehepaar Ernst und Christiane Toller; Landshoff schätzte Toller außerordentlich, war mit ihm befreundet und wusste, dass ihn die vorhin erwähnte Tilla Durieux, eine führende Gestalt der Münchener Räterepublik, 1918 vor der Verfolgung durch die Polizei ver­steckt hatte. Tollers Eine Jugend in Deutschland erschien 1933 bei Querido in Amsterdam.