Heft 
(2024) 117
Seite
47
Einzelbild herunterladen

Der Trotzkopf (1885) und Effi Briest (1895) Wege 47 Ereignisse wie das Weihnachtsfest, die Aufregungen des ersten Tanz­abends, eine Theateraufführung und den Tod einer Mitschülerin. Auch die emotionalen Dynamiken zwischen Freundinnen, Lehrerinnen und Schüle­rinnen finden Eingang in die Erzählung, häufig begleitet von moralisch wertenden Kommentaren der Erzählinstanz, die den Leser:innen wenig Spielraum lassen. Der Roman endet mit der Rückkehr der gezüchtigten und gereiften Ilse in den Schoß der Familie. Auf der Rückreise nach Hause lernt die nunmehr Sechzehnjährige ihren zukünftigen Ehemann kennen, einen ebenso standesgemäßen wie anständigen und herzensguten Assessor na­mens Leo Gontrau. Das glückliche Ende ist vorhersehbar und wird durch einen Rosenstrauß symbolisiert. Soweit, so trivial, doch lässt dieser Strauß, und mithin eine leitmotivische florale Bildlichkeit, erkennen, dass die Auto­rin nach symbolischem Tiefgang und höherer ästhetischer Gestaltbildung strebt, was ihr zumindest in Teilen dieses spannend erzählten, episodisch am Ablauf eines Internatsjahres orientierten und damit sinnfällig struktu­rierten Romans gelingt. 9 Ankunftsszenen, Kleidung, knabenhafter Charakter und Ausritte Bemerkenswert erscheinen zunächst die Parallelen zwischen den Eingangs­szenen von Effi Briest und Der Trotzkopf. Beide Werke setzen mit der An­kunft einer jugendlichen Hauptfigur ein, genauer mit dem jeweiligen Auf­tritt eines wilden Mädchens, das, noch erhitzt vom Spiel in der Natur, das elterliche Haus betritt und dem mit dieser Einkehr eine gravierende Le­bensveränderung bevorsteht, die sich als Erziehungsmaßnahme entpuppt. In beiden Romanen kündigt sich zu Beginn der Abschied vom Elternhaus an; im Fall von Trotzkopf nimmt hier Ilses ›Abschiebung‹ in die Pension ih­ren Anfang; Effi lernt an jenem Nachmittag ihren zukünftigen erzieheri­schen Ehemann Innstetten kennen. Die Szenen ähneln einander zudem in einigen weiteren Details der Knabenhaftigkeit der Mädchen, ihren grund­legenden Charakterzügen und ihrer unordentlichen Kleidung. Mit den Worten»Papa, Diana hat Junge« betritt das braunäugige,»jun­ge, schlanke Mädchen« Ilse»ungestüm« das Zimmer(T 1), wo ihre Eltern gerade mit ihrem Prediger und ein paar Nachbarn zusammensitzen. Der »Backfisch« Ilse wird den Leser:innen als»lebhaft«,»ohne jede Verlegen­heit«, mit»wirre[m] Lockenhaar« und mit»erhitztem Gesicht« vorgestellt (ebd.). Die Erzählerin schildert, dass dieser Auftritt des Mädchens, auch im Hinblick auf ihre schmutzigen Stiefel und die Kleidung, das Missfallen der Anwesenden erregt. Das»verwaschene, dunkelblaue Kattunkleid, blusen­artig gemacht und mit einem Ledergürtel gehalten«, zudem mit»Flecken und Risse[n]«, wird von der Erzählerin als bequem, aber»unkleidsam« ver­urteilt(T 2), und kurz darauf ebenso von der Stiefmutter, welche die Tochter