Heft 
(2024) 117
Seite
59
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Der Trotzkopf (1885) und Effi Briest (1895) Wege 59 um gekennzeichnet sind, das von einer bürgerlichen Liebesheirat, nicht aber Konvenienzehe, abgelöst und überwunden wird. 27 Allein unter der Bedingung, dass die Erziehungsgeschichte in die Zähmung des wilden Weibes mündet und sich die natürliche Kindfrau zur gefügigen Gattin wan­delt, erscheinen ihre Charakterfehler als sanktionierbare Jugendsünden eines unreifen kleinen Mädchens. 28 Im Zentrum von Fontanes Ehe- und Ehebruchromanen steht von Anbe­ginn das Schicksal junger Mädchen und Frauen. Ilse Macket und Effi Briest teilen die gleichen stürmischen Anlagen; doch nur Fontane erzählt, was ge­schieht, wenn sich weibliche Wildheit nicht in der Ehe bändigen lässt die wilhelminische Gesellschaft verzeiht einer ›Sünderin‹ nicht, sondern ver­stößt sie, stürzt sie in soziales und emotionales Elend. In ihrer grundlegen­den Studie zum Trotzkopf vermerkt Dagmar Grenz in einer Randnotiz die Verwandtschaft zwischen Ilse und Effi, und auch in ihrem Aufsatz zu den Widersprüchlichkeiten des Frauenbilds der kaiserzeitlichen Mädchenlite­ratur kommt sie knapp auf die Gemeinsamkeiten und Unterschiede im Ent­wicklungsgang der Figuren zu sprechen, die beide aus einem wohlhaben­den»gutsherrlichen« Milieu stammen. 29 Zwischen Ibsens Nora(1879), Fontanes Effi Briest (1895) und Else Urys Studierte Mädel(1906) sieht Grenz folgende Gemeinsamkeit: Das Bild der Frau als spontanem, lebensfrohem Kindwesen, das ›keck‹ gegen die gesellschaftlichen Normen verstößt[], und die Vorstellung von dem Manne als demjenigen, der, ernst und verantwortungsbewusst, auf der Seite der Realität und den herrschenden Normen steht diese Geschlechterpolarität prägt das Verhältnis von Mann und Frau in allen drei Werken. 30 Der enorme Erfolg des Trotzkopfmodells in der Mädchenliteratur liege da­rin begründet, dass Rhoden es schaffe,»der vom Rollenkonflikt zermürbten Frau wenigstens momentan wenn auch nur durch den Genuß der Illusion Befriedigung zu gewähren.« 31 Ähnlich argumentiert auch Susanne Barth , wenn sie den Reiz der Figur auf ihr»Oszillieren zwischen Anpassung und Verweigerung« zurückführt. 32 Dass Rhodens Trotzkopf, und mithin die Mädchen- bzw. Backfischlitera­tur des 19. Jahrhunderts, von der Fontane -Forschung meines Wissens bis­lang nicht als relevanter diskursiver Kontext für Studien zu Fontanes Weib­lichkeitsbildern identifiziert wurde, hängt vermutlich damit zusammen, dass die ›Nische‹ Kinder- und Jugendliteratur bislang kaum wahrgenom­men wird auf diesem Feld stehen weiterführende Erkundungen noch aus.