Der Trotzkopf (1885) und Effi Briest (1895) Wege 61 8 Bettina Kümmerling-Meibauer: Klassiker der Kinder- und Jugendliteratur. Ein Internationales Lexikon . Band I. Stuttgart/Weimar 2004, S. 913. Körperliche Züchtigung ist in dem in der Tradition eines humanen, spätaufklärerischen Erziehungsdenkens stehenden Werkes bereits abgeschafft. 9 Dagmar Grenz ordnet den Roman der Unterhaltungsliteratur seiner Entstehungszeit zu, rückt ihn aber»heute in Nähe der Trivialliteratur«(wie Anm. 2, S. 120). Klaus Maiwald nennt den Roman trivial und kitschig, stellt aber zugleich dessen starke »symbolhafte Requisiten« heraus (Räume, Blumen, Vögel, Abendsonne etc.) und erkennt ihm einen Klassikerstatus zu. Trivial und hochideologisch sei der Roman insofern, als er ausblendet, dass auch»Nonnen und Amazonen Frauen« seien und die Autorin»große Teile der sozialen Wirklichkeit« ignoriert. Klaus Maiwald: Große Werke der Literatur . Band X. Eine Ringvorlesung an der Universität Augsburg 2006/07 . Hrsg. von Hans Vilmar Geppert und Hubert Zapf . Francke 2007, hier S. 54. 10 Barth, wie Anm. 2, S. 282. Die Vorsteherin sei das»Zerrbild einer Lehrerin, auf dessen Folie sich die Illusion eines glücklichen Lebens als Ehe-, Hausfrau und Mutter noch verlockender ausnehmen muss.«(ebd.) 11 An Hans Hertz berichtet Fontane in einem Brief vom 2. März 1995, ein Mädchen, das er im Hotel Zehnpfund in Thale gesehen hat, habe ihn zu Effis Kostüm inspiriert. Vgl. hierzu den Kommentar von Christine Hehle in Effi Briest , wie Anm. 1, S. 409. 12 Barth, wie Anm. 2, S. 286. Über den Status dieser vielfach beobachteten Unterschwelligkeit von Erotik(auktorial, figurengebunden, leserseitig, rein symbolisch?) klärt Barth nicht auf. 13 Eine Postkarte, die Fontane als Vorbild gedient haben könnte, ließ sich im Zuge von Recherchen bislang nicht ermitteln. 14 Siehe auch die oben im Zusammenhang mit dem Aspekt ihrer Knabenhaftigkeit bereits zitierte Textstelle. 15 Die Russin muss allerdings auch als abschreckendes Beispiel einer»Emanzi pierten « herhalten(T 101). 16 In Quitt sehen Lehnert und L’Hermite nachts ein Gespenst vor dem Fenster. 17 Die dilettierende Jungautorin – unverkennbar eine selbstironische Karikatur – liest unter anderem Auszüge aus ihrer rührseligen Novelle Das Schmerzensopfer. Darin sitzt ein Mädchen namens Aurora mit»Vergissmeinichtaugen« allein bei Sturm am Meer, blickt schaukelnden Schiffen auf hohen Wogen hinterher und weint sich die Augen über ihren Liebsten aus, wohl wissend, dass sie nicht sterben wird(T 78). Als Ilse sich in Leo Gontrau verliebt, liest sie mit glühenden Wangen Chamissos Lieder und gibt dieser Lektüre die Schuld an ihrem Zustand(T 172). Mit Trotzkopfs Brautzeit (1892) schreibt Else Wildhagen die Geschichte der Internatsfreundinnen fort, ganz im Sinne des Originals: Flora bekommt einen Auftritt als überspannte Ehefrau eines prosaischen Arztes. Zum Leidwesen ihrer Freundinnen verfasst sie immer noch stümperhafte Lyrik. Aufgrund ihrer Ablehnung alles Materiellen und der Idealisierung höherer poetischer Ambitionen vernachlässigt Flora ihre Pflichten als Stiefmutter seiner Kinder aus erster Ehe und als Hausfrau, so dass ihre glücklose Ehe ebenso vertrocknet wie die Blumen im Fenster. Zu Ilses Entsetzen flirtet Flora mit einem Referendar, der ihre pathetischpoetischen Ergüsse zu schätzen weiß, sich aber als Teufel entpuppt, denn er hat sich aus rein finanziellem Interesse mit einem reichen Mädchen verlobt, das er
Heft  
(2024) 117
Seite
61
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