Heft 
(2024) 117
Seite
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Fontanes Militärzeit Druschke 67 Ärzte, Apotheker und andere Spezialisten konnten die Dienstpflicht auch in ihrem Fach erfüllen. 12 Die den Einjährig-Freiwilligen gewährte Vergünstigung der kürzeren Dienstzeit bezweckte, junge gebildete Leute in ihrer bürgerlichen Laufbahn durch die Militärpflicht so wenig als möglich zu behindern; man ging da­von aus, daß der gebildete Mann sich in kürzerer Zeit die militärischen Fä­higkeiten und Kenntnisse aneignen würde als der weniger Gebildete. Die Einjährig-Freiwilligen sollten aber nicht nur den Dienst des Gemeinen und Unteroffiziers erlernen, sondern während ihres Dienstjahres auch Grund­kenntnisse für den Einsatz als künftige Landwehr-Offiziere erhalten. Zu die­sem Zweck wurden sie einigen dazu bestimmten Offizieren zur vertiefenden Ausbildung unterstellt. Die Einjährig-Freiwilligen konnten bei entspre­chenden Kenntnissen und Diensteifer nach 3 Monaten Dienstzeit zu Vize­Unteroffizieren befördert und nach 6 Monaten zu Unteroffizieren ernannt werden. Zu ihren Vergünstigungen zählte man übrigens auch, daß sie von Offizieren und Unteroffizieren mit»Sie« angeredet wurden die normalen, als»Gemeine« bezeichneten Soldaten wurden also offenbar geduzt. So weit zur Theorie, wie man sie dem einschlägigen zeitgenössischen Handbuch zu den Grundzügen des Heerwesens und Infanteriedienstes der Königlichen Preußischen Armee aus dem Jahre 1845 von Anton von Witzle­ben entnehmen kann(siehe Anm. 10). Fontane selbst schreibt in Von Zwanzig bis Dreißig :»Die Freiwilligen in meinem Bataillon, wie beim Regiment überhaupt, waren lauter reizende junge Leute; die militärische Geltung jedoch, deren sich die gesamte Frei­willigenschaft damals erfreute, war noch eine sehr geringe. Das änderte sich erst[] viele Jahre später[].« 13 Und schon in Fontanes Bericht über seine erste englische Reise während seiner Militärzeit, der offenbar kurz nach seiner Rückkehr verfasst wurde, liest man gleich eingangs:»Ich war auf Königswache. Andren Tages sollte große Parade sein, und wie gewöhn­lich unter solchen Umständen, mußte der Schund aller Regimenter(aus den Lahmen, den Schneidern und den Freiwilligen der Garnison bestehend) den Wachtdienst leisten.« 14 Solche Aussagen stehen natürlich im Wider­spruch zu der Zielsetzung, aus den Freiwilligen künftige Landwehr-Offizie­re heranzubilden. Gut möglich, dass sich der aktive Offizier Anton von Witzleben auch deshalb zu seinem Buch veranlasst sah, weil die militäri­schen Vorschriften mit der Praxis nicht bzw. nicht immer in Übereinstim­mung standen. Im Vorwort zu seinem Handbuch führt Witzleben aus: Das vorliegende Werk ist vorzugsweise bestimmt, den einjährigen Frei­willigen als Handbuch bei ihrer Ausbildung zu Landwehroffizieren zu dienen; genügt es aber diesem Zwecke, so dürfte sein Erscheinen auch den Offizieren der Landwehr und vielleicht auch einzelnen Offizieren des stehenden Heeres, namentlich denen, welche mit der Führung der Freiwilligen beauftragt sind, nicht unwillkommen sein. 15