Heft 
(2024) 117
Seite
138
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138 Fontane Blätter 117 Rezensionen Bodo Plachta : Arbeitszimmer und Schreibtische. Hannover : Wehrhahn 2021. 327 S. Hardcover. 28,00 Dem Geburtsort literarischer Texte(vgl. S. 20) widmet sich Bodo Plachtas Monografie Arbeitszimmer und Schreibtische und führt aus diesem Blick­winkel durch die deutschsprachige Literaturgeschichte vom Mittelalter bis zur Gegenwart. Aus diachroner Perspektive geht das Buch anhand der Ma­terialität von Arbeitszimmer und Schreibtisch der Frage nach, wie die histo­rischen, soziologischen, kulturellen, ökonomischen Rahmenbedingungen einer Autorenbiografie in Wechselwirkung mit der spezifischen Schreibsze­ne(Rüdiger Campe ), den poetologischen Positionen und dem jeweiligen kre­ativen Prozess treten. Wo befindet sich das Arbeitszimmer im Ensemble einer Wohnung und welchen Status hat es in der Hierarchie der Räume, im Zusammenleben der Bewohner? Welche sozialen und historischen Gegebenheiten wirken auf diese Anordnung ein oder spiegeln sich in ihr? Verbürgt das Arbeitszimmer Abgeschiedenheit und höchstmögliche Konzentration oder ist es ein Ort der Begegnung, ein(halb)öffentlicher Ort, ein Raum der Repräsentation? Dient es ausschließlich dem Schreiben, Denken und Lesen oder ist es multifunkti­onal? Ist es, im Fall von Umzug oder Emigration, transportabel, und in wel­chem Maße? Der Schreibtisch als ›Herzstück‹ des Arbeitszimmers kann ebenfalls Ver­schiedenes sein: Arbeitsplatz, Laboratorium, Aufbewahrungsmöbel für Materialien, Prozessdokumente und schließlich den Nachlass. Seine Gestal­tung unterliegt zeittypischen Moden. Er kann der Funktionalität verpflichtet sein oder/und Repräsentationszwecken dienen, kann nach individuellen Wünschen angefertigt sein wie der Schreibtisch Hermann Hesses , als pres­tigeträchtiges Geschenk übergeben werden wie jener Theodor Storms oder auch keinerlei Rolle spielen, wenn Texte in Verkehrsmitteln und Hotel­zimmern entstehen, in Bibliotheken und Cafés, in der Fensternische oder am Küchentisch. Zoomen wir noch näher heran, so richtet sich der Blick auf die Utensili­en, die sich auf dem Schreibtisch befinden. Das sind natürlich insbesondere die Schreibmaterialien: Papier,(Füll-)Feder, Tintenfass und Streusandbüch­se, Bleistift, Schere und Klebstoff, Schreibmaschine, Desk- und Laptop, Tab­let und Handy, aber auch Gegenstände, die über das Funktionale hinaus eine atmosphärische Aufgabe erfüllen, Inspiration fördern oder ein indivi­duelles Statement darstellen, wie Thomas Manns »siamesischer Krieger« (Abb. S. 223), die antiken Statuetten auf Sigmund Freuds Schreibtisch(Abb. S. 191) oder der»Fangeball« und der Abguss von Moltkes Hand auf jenem Theodor Fontanes(Abb. S. 174). All diese und weitere Aspekte verbinden sich zur Schreibszene, der lite­rarische Texte ihre Entstehung verdanken. Diese wiederum ist innerhalb je