Heft 
(2024) 118
Seite
44
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44 Fontane Blätter 118 Literaturgeschichtliches, Interpretationen, Kontexte von Wuthenow und Stechlins Sohn Woldemar dienen in Eliteregimentern; sie sind attraktiv und ambitioniert, aber kriegsunerfahren. In Cécile gerät der junge Offizier a. D. Gordon, der nach dem Dienst in der Zivilgesellschaft Karriere macht, mit dem Kriegshelden St. Arnaud in Konflikt; Effi Briests Neigung gilt nicht dem Veteranen Innstetten, sondern eigentlich ihrem Vet­ter Dagobert, Leutnant im Regiment Alexander. 36 Damit stehen sich bei Fontane zwei Formen des militarisierten Adels gegenüber. Entscheidend ist dabei, dass seine Romane beide Gruppen an­ders semantisieren als es im öffentlichen Diskurs üblich war. Die jungen Offiziere verkörpern die Zukunft, hegen eine Vorliebe für philosophische und technische Innovationen, denken international. Die Veteranen dagegen stehen für herkömmliche Formen des Soldatischen und geben in Gesell­schaft gerne Kriegsanekdoten zum Besten. Sie sind es, die durch ihre Er­zählungen vergangene Kriegserfahrungen im kollektiven Gedächtnis hal­ten. Redselige Veteranen wie Generalmajor Bamme in Vor dem Sturm und Schulze Kluckhuhn im Stechlin sind bei Fontane topisch. Bereits in der frü­hen Novelle Zwei Post-Stationen, die er kurz nach seinem einjährigen Mili­tärdienst schrieb, erzählt ein alter Veteran und Postillon während einer Postkutschenfahrt durch die kaschubische Provinz unentwegt von den Be­freiungskriegen. Auch hier werden Veteranentum und technischer Fort­schritt gegenübergestellt. Das»Eisenbahn-Netz«, das der Erzähler zu Be­ginn des Textes als»großartigste[] Erfindung unsrer Tage« preist, 37 bleibt in der Novelle unsichtbar. Die Postkutsche des Veteranen, der seine An­kunft mit einer ausrangierten Kavallerie-Trompete ankündigt, umfährt buchstäblich die moderne Infrastruktur. Als der Ich-Erzähler schließlich ein Zugticket nach Berlin kauft, endet der Text. 38 Die Veteranen stehen nicht nur für das narrative Gedächtnis des Krie­ges, sondern auch für den Versuch, herkömmliche soziale Ordnungen mili­tärisch zu stabilisieren und so vorhersehbar zu halten. Nicht umsonst ha­ben altgediente Soldaten bei Fontane eine Vorliebe für Karten und Schlachtpläne. 39 In Vor dem Sturm hängen im Arbeitszimmer des Landjun­kers und Veteranen Berndt von Vitzewitz»Spezialkarten von Rußland «, auf denen»rothe Punkte[] und Linien« die Rückzugsbewegungen des napoleo­nischen Heeres verzeichnen. 40 Der Kampf gegen Napoleon erfolgt für Berndt im Namen der alteingesessenen preußischen Landjunker. In Schach von Wuthenow beugt sich der König, als er den Protagonisten anweist, Vic­toire zu heiraten und die soziale Ordnung zu wahren, über»Pläne der Aus­terlitzer Schlacht«. 41 Besonders deutlich wird die Differenz von alter Militär-Ordnung und technisch-zivilisatorischem Fortschritt in Cécile. Der Veteran St. Arnaud, der eine»Karten-Passion« 42 hat, trifft mit Gordon auf einen Konkurrenten, der seit seinem Ausscheiden aus dem Militärdienst als Zivilingenieur arbei­tet, durch die Welt reist und Kabel verlegt. Gordon wirbt um St. Arnauds